Schottlands Streben nach Unabhängigkeit:Warum Cameron die Schotten halten möchte

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Schottlands First Minister Alex Salmond arbeitet eifrig auf eine Loslösung vom Vereinigten Königreich hin. Aber London mag nicht auf den Landesteil verzichten, der Reich an Öl- und Gasvorkommen ist. Premier Cameron muss vorsichtig vorgehen, wenn er die Schotten nicht verprellen möchte.

Christian Zaschke, London

Wäre ein unabhängiges Schottland für den britischen Premierminister David Cameron nicht die beste Lösung? Er wäre die leidige Diskussion über das Thema los, er müsste keine Länderfinanz-Ausgleichszahlungen mehr in den Norden überweisen, und vor allen Dingen hätte er die absolute Mehrheit im Parlament.

Schwierige Beziehungen: Der britische Premierminister David Cameron (l.) und Alex Salmond, First Minister des schottischen Regionalparlaments mit Unabhängigkeitsbestrebungen. (Foto: AFP)

Nicht, dass die liberaldemokratischen Koalitionspartner Ärger machen würden - im Gegenteil, sie nicken brav alles ab, auch wenn es das Gegenteil ihrer Wahlversprechen ist. Aber es wäre so viel komfortabler für Cameron, und auch langfristig betrachtet führen die Tories in Wahlen besser ohne die Stimmen aus Schottland.

Von den 58 Abgeordneten aus Schottland in Westminster stellen die Konservativen lediglich einen. Camerons Partei ist im Norden, gelinde gesagt, nicht besonders beliebt. Was also spricht dagegen, Schottland loszuwerden?

Verkürzt gesagt: Ressourcen und Geschichte. Vor der Küste Schottlands wird massenhaft Öl und Gas gefördert, von den damit erwirtschafteten Milliarden profitiert das gesamte Vereinigte Königreich. Zudem will Cameron nicht als der Mann in die Geschichte eingehen, der den äußerst erfolgreichen Verbund ohne Not aufgelöst hat.

1603 ist James VI. von Schottland auch James I. von England geworden, 1707 wurden die Parlamente zusammengelegt. Die Verflechtungen zwischen beiden Ländern sind vielfältig, politisch ebenso wie persönlich: Camerons Vater wurde in Schottland geboren.

Da ist Alex Salmond

Der Premier wird sich, ebenso wie die Liberaldemokraten und die Labour-Partei, nach Kräften um einen Fortbestand der Union bemühen. Das sieht zunächst nicht nach einer allzu schwierigen Aufgabe aus, denn derzeit will lediglich rund ein Drittel der Schotten die Unabhängigkeit. Doch da ist Alex Salmond.

Salmond ist Chef der Scottish National Party (SNP) und First Minister des schottischen Regionalparlaments. 2007 übernahm er die Spitze einer Minder-heitsregierung, im Frühjahr 2011 errang die SNP die absolute Mehrheit. Der 57-Jährige hat sein Leben dem Streben nach der Unabhängigkeit Schottlands gewidmet.

Er gilt mittlerweile als gewieftester Politiker auf der Insel, nachdem er in den neunziger Jahren noch allenthalben belächelt wurde. Geduldig und beharrlich arbeitet er auf sein Ziel hin. Es passt zum bisweilen populistischen Salmond, dass er nun angekündigt hat, die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit werde 2014 stattfinden - genau 700 Jahre nach der Schlacht von Bannockburn, in der die Schotten das englische Heer besiegten.

Es erscheint durchaus möglich, dass er in den kommenden zwei Jahren mehr Zustimmung für die Unabhängigkeit gewinnt, und vermutlich spekuliert er auf gewisse Gefühlsduseligkeit im geschichtsträchtigen Wahljahr. Salmonds Chance liegt allein in der Emotion. Politisch und wirtschaftlich gibt es keinen Grund für Schottland, die Union zu verlassen, im Gegenteil: Es ist riskant.

Kurzsichtige Finanzierungspläne

Derzeit erhalten die Schotten 1600 Pfund mehr öffentliches Geld pro Kopf als die Engländer. Mit diesem Geld werden zum Beispiel gebührenfreies Studium, Altenpflege und kostenlose Arztrezepte finanziert. Das könne man künftig mit dem Gewinn aus dem Öl bezahlen, sagt die SNP. Erstens ist jedoch unklar, wem bei einer Trennung wie viel des Öls gehören würde, zweitens ist es kurzsichtig, seine Zukunft als neuer Staat auf eine endliche Ressource zu gründen.

Seit einer Woche wird das Thema auf der Insel mit Eifer diskutiert, nachdem Cameron gefordert hatte, die SNP solle so früh wie möglich abstimmen lassen, damit Klarheit herrsche. Mit Druck erreicht der Premier das Gegenteil vom dem, was er will, denn die Schotten sind stolz.

Camerons Chance liegt einerseits darin, die Diskussion so sachlich wie möglich zu halten, und anderseits, sie breit zu führen: In Anbetracht der chronischen Unbeliebtheit der Tories in Schottland muss sich der Premier Verbündete außerhalb der Regierung suchen.

© SZ vom 16.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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