Schotten und Engländer:Sie schlugen und sie schätzten sich

Schotten und Engländer: Unnachgiebiger schottischer Freiheitskämpfer: Mel Gibson als "Braveheart"

Unnachgiebiger schottischer Freiheitskämpfer: Mel Gibson als "Braveheart"

(Foto: Imago Stock&People)

Bravehearts Freiheitskampf, Act of Union, das Referendum: Die Geschichte von Schottland und England ist von Demütigungen und heftigen Kämpfen geprägt. Stationen eines schwierigen Verhältnisses.

Von Barbara Galaktionow

Seit mehr als 300 Jahren ist Schottland in einer Union mit England. Lange Zeit war das "Vereinigte Königreich" dabei sehr erfolgreich - wirtschaftlich und politisch. Doch inzwischen sehen viele Schotten keinen Vorteil mehr in der Verbindung. Nun waren sie aufgerufen, in einem Referendum darüber abzustimmen, ob Schottland wieder ein unabhängiger Staat werden soll und haben sich gegen eine Abspaltung entschieden.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Union zwischen den beiden Königreichen kam einst aus äußerst schnöden Gründen zustande. Zuvor hatten die Schotten hart für ihre Unabhängigkeit gekämpft.

Edward I. unterwirft die Schotten

Es war eine Demütigung: 1296 ließ der englische König Edward I. den "Stein von Scone", den symbolisch wichtigen Krönungsstein der schottischen Könige, nach London überführen. Dort baute er den etwa 152 Kilogramm schweren Sandstein in den Krönungsthron der englischen Monarchen in Westminster ein. Zuvor hatte Edward Streitigkeiten um den schottischen Thron genutzt, um die Herrschaft über das nördliche Königreich an sich zu reißen. Diese waren ein Jahr zuvor entbrannt, nachdem der schottische König Alexander III. unerwartet bei einem Sturz vom Pferd ums Leben gekommen war.

William Wallace und Robert the Bruce - der Kampf um Unabhängigkeit

Die Schotten fügten sich nicht ins Los des unterjochten Volkes, sondern rebellierten gegen die englische Vorherrschaft. Vor allem zwei Namen sind mit diesem Kampf verbunden: William Wallace und Robert the Bruce. Wallace, der als Freiheitskämpfer in die schottische Nationalerinnerung einging und dank des Hollywood-Schinkens "Braveheart" mit Mel Gibson in der Hauptrolle vor etwa 20 Jahren weltweite Bekanntheit erlangte, stammte aus dem niederen schottischen Adel.

Ende des 13. Jahrhunderts gelang ihm und seinen Mitstreitern ein spektakulärer Sieg: In der Schlacht von Stirling Bridge fügten sie den Engländern eine vernichtende Niederlage zu. Der Erfolg sollte jedoch nicht von Dauer sein. Nicht einmal ein Jahr später unterlagen die schottischen Rebellen in der Schlacht von Falkirk den Truppen Edwards. Im Jahr 1305 wurde William Wallace gefangen genommen und auf brutale Weise hingerichtet - durch Hängen, Ausweiden und Vierteilen.

Der Freiheitswille der Schotten war damit jedoch nicht gebrochen. Robert the Bruce führte nun den Kampf weiter. Er wurde 1306 in Scone zum schottischen König gekrönt - allerdings dann von den Engländern zeitweilig aus Schottland vertrieben. Erst 1314 gelang ihm und seinen Gefolgsleuten in der Schlacht von Bannockburn der entscheidende Sieg über die Engländer. Die erkannten die Unabhängigkeit Schottlands allerdings erst im Jahr 1328 offiziell an. Robert the Bruce starb ein Jahr später. Es folgten weitere Versuche der englischen Krone, sich Schottlands zu bemächtigen - die Fehde zogsich über die Jahrhunderte hinweg. Von 1603 an regierten die schottischen Könige aus dem Hause Stuart in Personalunion auch das Königreich England, wenn auch mit Unterbrechungen.

Schotten verabschieden sich von ihrer Unabhängigkeit

Und dann - im Jahr 1707 - zwingt nicht militärische Stärke Schottland in die Union mit dem südlichen Nachbarn, sondern finanzielle Schwäche. Schottland übernimmt sich beim Versuch, in Mittelamerika eine Kolonie aufzubauen. Im Gegenzug für die Übernahme der Schulden durch England stimmten die schottischen Adligen im Parlament der Aufgabe der schottischen Souveränität zu - gegen heftigen Widerstand des Volks. Das "Vereinigte Königreich" wird vor allem unter wirtschaftlichen Vorzeichen geboren - 15 der 25 Artikel im "Act of Union" befassen sich mit ökonomischen Fragen.

Wiederbelebung der schottischen Nationalbewegung

Dem Stuart-Abkömmling Bonnie Prince Charlie (eigentlich: Charles Edward Stuart) gelang es Mitte der 1740er Jahre noch einmal, schottische Hochland-Clans gegen die Zentralmacht zu mobilisieren - aber eigentlich nur, um selbst den britischen Thron zu besteigen. Nachdem bereits große Teile Schottlands kontrolliert wurden, drängte Charles jedoch weiter gen London. Doch die Aufständischen im Zweiten Jakobitenaufstand unterlagen letztendlich bei der Schlacht von Culloden den Regierungstruppen. Manche sehen darin den letzten Versuch der Schotten, ihre Unabhängigkeit mit Waffengewalt zu erkämpfen.

"It's Scotlands Oil!"

Über Jahrhunderte hinweg lebten England und sein Juniorpartner Schottland (sowie Wales und Irland) dann ganz gut miteinander. Sie schufen ein Weltreich und gaben auch in der Industrialisierung den Ton an, waren also politisch und wirtschaftlich erfolgreich. Forderungen nach einer schottischen Unabhängigkeit waren nicht populär. Erst im 20. Jahrhundert wurden wieder nationalistische Töne laut, als das britische Weltreich zerfiel und mit ihm auch Industrien im Norden des Vereinigten Königreichs schwanden.

Die Entdeckung reicher Ölvorkommen vor der Küste Schottlands ließen eine Unabhängigkeit dann auch aus ökonomischer Sicht vielversprechend erscheinen. "It's Scotlands Oil!" (Das Öl gehört Schottland), befand denn auch die Scottish National Party. Die schottischen Nationalisten, die bis dato ein Schattendasein geführt hatten, erzielten um die 1970er Jahre mit diesem Slogan ihre ersten politischen Erfolge.

1979 wurde in Schottland ein erstes sogenanntes Devolutions-Referendum abgehalten. Eine Mehrheit der Wähler, die ihre Stimme abgab, sprach sich dabei zwar für eine Übertragung von staatlichen Rechten an ein einzurichtendes schottisches Parlament aus. Doch die Abstimmung war wegen der zu geringen Wahlbeteiligung nicht gültig.

Die Entfremdung setzt sich fort

Die 1980er Jahre brachten keine Wiederannäherung zwischen Edinburgh und London - im Gegenteil. Die extrem wirtschaftsliberal ausgerichtete Politik der Torys stieß die mehrheitlich links wählenden Schotten ab. Premierministerin Margaret Thatcher verprellte sie zusätzlich, als sie Kopfsteuer einführte, die wohlhabende Menschen begünstigt - und dies in Schottland zum Test auch noch früher als in England. Auch die Rückgabe des im Mittelalter von Edward I. geraubten Stone of Scone durch die Regierung von John Major konnte die Schotten nicht positiver gegenüber den Konservativen stimmen.

Labour-Politiker Tony Blair konnte bei Schotten in den 1990er Jahren hingegen damit Punkten, dass er ihnen ein neues Referendum versprach. 1997 stimmten die Schotten dann für die Einrichtung eines Regionalparlaments. Zwei Jahre später gab es - zum ersten Mal seit fast 300 Jahren - wieder ein eigenes schottisches Parlament.

In diesem gewannen die linksliberal ausgerichteten schottischen Nationalisten zunehmend an Macht. 2007 wurde Alex Salmond von der Scottish National Party Ministerpräsident Schottlands, 2011 errang seine Partei die absolute Mehrheit. Die Stimmen, die mehr Vorteile in einer Unabhängigkeit Schottlands sehen, werden lauter.

Selbst ein anerkannter Wissenschaftler wie der führende schottische Historiker Sir Tom Devine schlägt sich nach anfänglicher Skepsis auf die Seite der Abspaltungsbefürworter. "Die Union von England und Schottland war keine Liebesheirat. Es war eine Zweckehe", sagte er der britischen BBC. Nun sei es Zeit auseinanderzugehen.

Doch das Referendum hat gezeigt: Eine Mehrheit der Schotten sieht das anders.

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