Schöne Bescherung:Striezel, Senf oder Lebkuchen

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Dass die Sachsen ein stolzes und bisweilen streitlustiges Völkchen sind, ist bekannt. Neuestes Gefecht: Steht Deutschlands ältester Weihnachtsmarkt in Bautzen oder Dresden?

Von Cornelius Pollmer

Der oft seltsame Stolz der Sachsen hat sich in jüngerer Vergangenheit auf ganz unterschiedliche Weise in der Öffentlichkeit ausgebreitet. Zu den weniger beachteten Gefechten gehört ein Streit, der seit Jahren zwischen den Städten Bautzen und Dresden ausgetragen wird. Bautzen klingelt mit dem Hinweis, sein Wenzelsmarkt sei "Deutschlands vermutlich ältester Weihnachtsmarkt". In Dresden wiederum sind sie auf ihren Ältesten noch etwas stolzer und tilgen mit dem Wort "vermutlich" gleich jeden Zweifel: "Deutschlands ältester Weihnachtsmarkt" ist - laut Eigenwerbung - der Striezelmarkt.

Es begibt sich nun aber zu der Zeit, dass ein Gesuch vom Rekord-Institut in Hamburg ausging, dass die beiden Märkte geschätzt würden. Der Entscheid lässt sich als salomonisch bezeichnen, duckmäuserisch träfe es auch. Das Institut spricht dem Striezelmarkt zu, "Deutschlands ältester beurkundeter Weihnachtsmarkt" zu sein - in Bautzen hingegen befinde sich der "älteste in einer Chronik genannte Weihnachtsmarkt". Ein geringer Wert des Urteils besteht gerade noch in dem Hinweis, den es auf die unterschiedliche Geschichte der Märkte gibt. Der erste Bautzener Fleischmarkt datiert auf das Jahr 1384. Die Stadt hat Pi mal Gaumen hochgerechnet und lädt gerade zum 632. Wenzelsmarkt. In Dresden liegt das Premierenjahr weniger weit zurück (1434). Dafür liegt eine Urkunde vor, über das fürstliche Privileg, den Fleischmarkt auch am "Heyligen Christs Abendt" abzuhalten. Derlei belastbare Dokumentation kann Bautzen nicht vorweisen.

Der Kulturwissenschaftler und Weihnachtsmarktforscher Gunther Hirschfelder von der Uni Regensburg kann mit solchem Zahlenspiel nicht viel anfangen. Wichtiger als Urkunden sei schließlich die Frage nach dem Charakter eines Marktes und seiner Kontinuität. Ein früher Fleischmarkt hat mit einem Weihnachtsmarkt von heute nicht viel gemein. Überhaupt hätten Märkte stets einem starken Form- und Funktionswandel unterlegen. "Wir rekonstruieren eine Traditionslinie, weil wir sie uns wünschen, aber es gibt sie nicht", sagt Hirschfelder. Früher konnte der Weihnachtsmarkt eine Veranstaltung von ein, zwei Tagen sein, bei der Dienstboten ihre Weihnachtsgratifikationen erhielten. Urkunden seien oft aus steuerrechtlichen Gründen ausgestellt worden und ließen kaum Rückschlüsse zu.

Superlative, sagt Hirschfelder, seien vor allem für das Marketing wichtig und nur ein bisschen für die Besucher: "Wir haben eine Kultur, in der alles Alte als wertvoll empfunden wird. Das besonders Alte gilt dann eben als besonders wertvoll." Man könne sogar sagen, dass Menschen "sich Traditionsevents wünschen, die einen Erlebnis-Gegenpol zu Globalisierung und Digitalisierung bilden".

Sachsen hat sich bei der Verteidigung seiner Traditionsevents übrigens schon häufiger hervorgetan. 2014 sollten zugunsten der Imagekampagne des Landes Würstchen mit Bautzner Senf auf dem (jüngeren) Christkindlesmarkt in Nürnberg verteilt werden - Eklat. Gerade erst überstanden war da ein anderer Streit in der Weihnachtshöchstburg Sachsen: Dresden und Annaberg-Buchholz waren wortreich uneins darüber gewesen, wer sich als "Weihnachtshauptstadt" bezeichnen dürfe.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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