Schlussplädoyers im Buback-Prozess:Zweifel, die nicht weichen wollen

In Karlsruhe haben die Schlussplädoyers im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker begonnen, am 6. Juli wird das Urteil verkündet. Vielleicht lautet es auf Beihilfe zum Mord, vielleicht wird es auch ein Freispruch. Weder die Plädoyers noch der Prozess an sich dürften allerdings klären, wer 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback erschossen hat.

Wolfgang Janisch, Karlsruhe

An diesem Dienstag beginnen die Plädoyers im Prozess gegen Verena Becker, allein dafür hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sechs Prozesstage angesetzt. Das ist wenig verwunderlich nach einem Prozess, der ein Jahr und achteinhalb Monate gedauert hat und in dem etwa 160 Zeugen vernommen wurden. Am 6. Juli wird das Urteil verkündet; vielleicht lautet es auf Beihilfe zum Mord, vielleicht wird es auch ein Freispruch. Doch wer angesichts dieses gewaltigen Aufwands erwartet, nun müsse die Geschichte der RAF neu geschrieben werden, dürfte enttäuscht werden.

Verena Becker

Der Prozess gegen Verena Becker geht in die Schlussphase.

(Foto: dpa)

In der Anklage hatte die Bundesanwaltschaft der 59 Jahre alten Frau ursprünglich eine Mittäterschaft beim Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen beiden Begleitern vorgeworfen. Die Bundesanwälte hielten sie zwar nicht für die Schützin auf dem Sozius des beim Anschlag benutzten Motorrads. Allerdings soll sie so eng in Planung und Vorbereitung des Attentats eingebunden gewesen sein, dass sie als Mörderin zu bestrafen sei - also mit ziemlicher Sicherheit erneut ins Gefängnis müsste.

Es wäre aber überraschend, wenn Bundesanwalt Walter Hemberger und Oberstaatsanwältin Silke Ritzert in ihren Plädoyers an diesem Dienstag daran festhielten. Denn ein entscheidender Baustein für den Vorwurf der Mittäterschaft ist die Aussage einer Frau, die in Karlsruhe am Tag vor dem Anschlag Verena Becker in einem VW Käfer gesehen haben will - zwei Männern zuwinkend, einer von ihnen vermutlich Knut Folkerts, der wegen der Tat verurteilt wurde. Durch diese Aussage würde Becker ganz nahe an die Tat herangerückt.

Doch gibt es erhebliche Zweifel, ob diese Aussage glaubwürdig ist. Denn an die auffällige Begebenheit will sich die Zeugin erst sieben Wochen nach der Tat erinnert haben. Weder die Medienberichte über den spektakulären Anschlag vom 7. April noch jene über die Festnahme Beckers Anfang Mai 1977 hatten ihre Erinnerung wachgerufen, nicht einmal einen Besuch bei der Polizei Mitte Mai hatte sie zur Aussage genutzt. Erst Ende Mai - sie fungierte als Dolmetscherin bei der Vernehmung ihres Schwagers, der Becker ein Jahr zuvor beobachtet haben will - brachte sie die Angelegenheit zur Sprache. Nur nebenbei sei erwähnt, dass für die Aufklärung des Mordes eine Belohnung von 200 000 Mark ausgesetzt war.

Eine Legende, deren Reisedaten stimmen müssen

Dass Becker zur Zeit des Anschlags in Karlsruhe gewesen sein soll, ist inzwischen noch weniger wahrscheinlich geworden. Sie selbst bestreitet dies: Sie habe erst am Tag nach dem Anschlag die Rückreise von Bagdad angetreten und zunächst in Rom Station gemacht. Einigermaßen plausibel wird diese Behauptung durch einen zypriotischen Pass mit ihrem Bild, ausgestellt auf den Namen "Stella Ratson"; er trägt den Ausreisestempel 8. April. Zwar hatte Peter-Jürgen Boock, der Techniker und Passfälscher der RAF, deutlich gemacht, dass es sich hierbei um eine Legende handle. Eine Legende freilich, deren Reisedaten stimmen müssen - sonst wären die falschen Papiere nutzlos.

Wenn Becker nicht in Karlsruhe war, bleibt für die Bundesanwälte im Wesentlichen nur noch ihre Teilnahme an zwei Planungstreffen im Harz und in Holland übrig - lange vor der Tat. Hat sie dort auf die Umsetzung des Willens der Stammheimer Häftlinge gedrungen? Mit "Vehemenz", wie Boock früher einmal behauptet, im Prozess aber abgeschwächt hat? Sie habe die "Aktion gegen Generalbundesanwalt Buback" im Grundsatz für richtig befunden, sich aber bei der Entscheidung "in keiner Weise hervorgetan", sagte sie selbst. Reicht das für Beihilfe zum Mord? Müssten dann nicht alle, die im Harz und in Holland die Hand für den Tod des Generalbundesanwalts gehoben haben, erneut angeklagt werden? Beispielsweise Peter-Jürgen Boock, denn der war auch dabei; doch ein entsprechendes Verfahren gegen ihn war vor dem Prozess eingestellt worden.

Eine Enttäuschung dürfte der Prozess auch aus der Sicht von Michael Buback sein. Er hat das legitime Anliegen, die volle Wahrheit über den Tod seines Vaters aufzuklären, mit großer Energie betrieben. Bisweilen jedoch mit merkwürdigen Methoden: Vor einigen Wochen präsentierte er dem Gericht einen schillernden Zeugen, der eine haarsträubende Geschichte über ein angebliches Tonband aus Stasi-Beständen präsentierte - mit einem Geständnis Verena Beckers. Gutachter hatten dem Mann schon vor 30 Jahren eine "psychische Störung von Krankheitswert" attestiert, doch auch ohne sachverständige Hilfe hätte der gesunde Menschenverstand geboten, die Finger von dem angeblichen Ex-Geheimdienstler zu lassen. Buback indes hatte sich zuvor ausführlich mit ihm unterhalten. Dass er ihn danach dem Gericht präsentierte, mutete eher wie ein Akt der Verzweiflung an. Denn so sehr er selbst an seine Version glauben mag, Verena Becker habe seinen Vater erschossen: Dass das Gericht dies anders sieht, wird er bemerkt haben.

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