Schleswig-Holstein: CDU:Flucht vor der nächsten Krise

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident unter Druck: Peter Harry Carstensen hat zugegeben, zu den Boni-Zahlungen an den Chef der HSH-Nordbank unwahre Angaben gemacht zu haben. Der frühere CDU-Minister Marnette wirft ihm einen Koalitionsbruch aus wahltaktischen Gründen vor.

J. Schneider

Die vorgezogenen Neuwahlen in Schleswig-Holstein sind nach Auffassung des früheren Wirtschaftsministers Werner Marnette (CDU) ein Versuch der Union, sich die Regierungsmehrheit zu sichern, bevor weitere Hiobsbotschaften das Land erschüttern. "Bei der HSH-Nordbank wird es mit Sicherheit noch erhebliche zusätzliche negative Effekte geben", sagte Marnette der Süddeutschen Zeitung. "Wenn dann im Herbst oder zum Jahresende weitere Finanzspritzen nötig werden, würde das die Wahlchancen der CDU erheblich verringern."

Schleswig-Holstein: CDU: An diesem Montag müssen die Abgeordneten in Kiel über eine Auflösung des Parlaments abstimmen.

An diesem Montag müssen die Abgeordneten in Kiel über eine Auflösung des Parlaments abstimmen.

(Foto: Foto: dpa)

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hatte vergangene Woche die große Koalition aufgekündigt. Am 27. September soll es zeitgleich mit der Bundestagswahl Neuwahlen geben. Die SPD will sich an diesem Montag zwar gegen die Auflösung des Parlaments sperren, plant aber auch für Neuwahlen im September. Die weiteren Risiken bei der landeseigenen HSH-Nordbank werden nach Einschätzung des früheren Wirtschaftsministers Marnette im Herbst für die Wähler offenkundig werden.

Somit hätten sie die Wahlchancen des Ministerpräsidenten vor dem regulären Termin im nächsten Mai belastet. "Herr Carstensen will deshalb jetzt wählen lassen, solange die Stimmung für die CDU noch gut ist", sagte Marnette. Es habe keinen schlüssigen Grund für Neuwahlen gegeben: "CDU und SPD hatten in Sachfragen alle Streitpunkte ausgeräumt."

Marnette war von Carstensen 2008 in sein Kabinett geholt worden und sollte die Wirtschaftskompetenz der CDU stärken. Er trat jedoch im Frühjahr als Minister zurück, weil er die Regierungspolitik bei der HSH-Nordbank nicht mittragen wollte. Carstensen habe, klagte Marnette, seine Warnungen nicht hören wollen.

Für die Rettung der Bank haben die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein als Hauptanteilseigner in einem Rettungspaket erhebliche Risiken auf sich genommen. Marnette geht davon aus, dass es noch in diesem Jahr in Hamburg und Schleswig-Holstein "ein böses Erwachen mit Blick auf die Situation bei der HSH-Nordbank geben wird". Er rechne mit massiven finanziellen Problemen, zudem könnten "beklemmende Einzelheiten über das interne Missmanagement der Bank und das Versagen der politischen Kontrolle ans Licht kommen".

Der frühere Unternehmensführer wirft dem Ministerpräsidenten "mangelhaftes Management" und Intransparenz vor. "Das Thema ist nicht im Kabinett verhandelt worden. Man betreibt eine Art Geheimdiplomatie", sagte Marnette. Auch die umstrittene Sonderzahlung von 2,9 Millionen Euro an den HSH-Vorstandschef Dirk Nonnenmacher sei nicht im Kabinett beraten worden. "Das ist doch Mauschelei", sagte Marnette.

Er nannte die Zahlungen skandalös. "Nonnenmacher ist Teil des Systems gewesen, durch das die Bank in Schieflage geraten ist", so Marnette. "Da kann man ihm nicht noch eine Sonderzahlung geben." Dem Bankchef ist nach Auskunft aus Regierungskreisen die Sonderzahlung zugestanden worden, weil er diese Ansprüche aufgrund seiner Verträge hatte und sonst offenbar die Bank verlassen hätte. Sein Jahresgehalt soll wie bei anderen Krisen-Banken auf 500 000 Euro gedeckelt bleiben. Der Streit über die Sonderzahlung war der letzte Anlass für den Bruch der Koalition.

Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner beklagt, seine Partei sei in die Entscheidung nicht einbezogen worden. Der Ministerpräsident habe die Unwahrheit gesagt, als er behauptete, er habe die Fraktionsspitzen beider Regierungsparteien über die Sache informiert. Carstensen räumte am Sonntag erstmals offen ein, dass er eine falsche Angabe gemacht hatte.

In einem Brief hatte er geschrieben, die Zuwendung an Nonnenmacher sei mit dem Einverständnis "der Spitzen der die Regierung tragenden Fraktionen" beschlossen worden. Diese Formulierung sei nicht richtig gewesen, sagte Carstensen: "Das ist eine Formulierung, über die ich vielleicht ein bisschen flott hinweggegangen bin."

Am Montag wird der Landtag über die Auflösung des Parlaments abstimmen. Stegner zufolge wollen die Genossen dies mit ihren 29 Stimmen verhindern. Da nicht geheim abgestimmt wird, gibt es kaum Zweifel, dass die SPD geschlossen gegen die Auflösung stimmt. Für die vorzeitige Auflösung des Parlaments ist eine Zweidrittelmehrheit der 69 Abgeordneten notwendig. Die CDU müsste andernfalls andere Wege wählen, um Neuwahlen zu erreichen.

Angesichts ihrer schlechten Umfragewerte hatte die SPD noch in der vergangenen Woche gehofft, eine vorgezogene Landtagswahl vermeiden zu können. Längst aber haben auch die Sozialdemokraten mit den Planungen für eine Wahl im September begonnen.

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