Schiitische Miliz Hisbollah:Blutspur nach Burgas

Schiiten-Miliz Hisbollah in Beirut (Archiv 2000): Uniformierte Kinder

Schiiten-Miliz Hisbollah in Beirut (Archiv 2000): uniformierte Kinder

(Foto: DPA)

Immer mehr Indizien deuten darauf hin, dass die Hisbollah bei ihrem Terror gegen Israel auch Europa im Visier hat. Trotzdem will kein verantwortlicher Minister die Miliz auf die Terroristenliste der EU setzen. Erst müsste es handfeste Beweise geben. Dazu könnte es demnächst kommen.

Von Paul-Anton Krüger und Martin Winter, Brüssel

Das Kürzel LAA-505 erinnerte Hossam Yaacoub an ein Modell des italienischen Sportwagenbauers Lamborghini, bei KWK-663 will er an ein Kawasaki-Motorrad gedacht haben. So erklärte er am Mittwoch den Richtern in der zyprischen Stadt Limassol, warum er in einem Büchlein die Nummernschilder von Bussen notiert hatte, mit denen israelische Touristen über die Insel kutschiert wurden.

Die Justiz des Landes wirft ihm vor, vergangenen Sommer mögliche Anschlagsziele für die Hisbollah ausspioniert zu haben, bevor er am 7. Juli verhaftet wurde. Der 24-Jährige bestreitet zwar, an der Vorbereitung von Attentaten beteiligt zu sein - nicht aber, dass er im Sold der Hisbollah steht und schon Kurierdienste und andere Missionen in Europa für sie übernommen hat.

Wenn die Richter es am Ende des Verfahrens als erwiesen ansehen, dass die Hisbollah auf Zypern Terrorakte gegen Israelis plante und Yaacoub Teil dieser Aktivitäten war, dürfte die Europäische Union kaum noch dem Druck widerstehen können, die schiitische Miliz und Partei auf die Terroristenliste zu setzen, wie es die USA und Israel fordern.

Dazu kommt, dass Bulgariens Regierung jüngst offiziell das Zwischenergebnis ihrer Ermittlungen zu dem Selbstmordanschlag in Burgas am 18. Juli 2012 bekannt gegeben hat, bei dem fünf israelische Touristen und ein bulgarischer Busfahrer getötet worden waren. Diese führten "zu Personen, die mit dem militärischen Flügel der Hisbollah in Verbindung stehen", teilte Sofia mit. Außenminister Nikolay Mladenov berichtete am Montag in Brüssel seinen EU-Kollegen über die Erkenntnisse.

Alle Spuren führen zur Hisbollah

Vorerst blieb das noch ohne Folgen. Keiner der Minister stellte den Antrag, das formelle Verfahren einzuleiten mit dem Ziel, die Hisbollah auf die Terroristen-Liste zu setzen. Man könne erst handeln, "wenn uns konkrete Untersuchungsergebnisse übermittelt werden", sagte ein Diplomat. Das Beharren auf Belegen, die "gerichtsverwertbar" sind, hat einen Grund: Auf die 2001 nach den Anschlägen in den USA erstellte europäische Liste dürfen Personen und Organisationen nur genommen werden, wenn gegen sie - "gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise" - wegen direkter oder indirekter Beteiligung an der Vorbereitung oder Durchführung eines terroristischen Akts ermittelt wird oder wenn sie deswegen vor Gericht stehen. Anderenfalls läuft die EU Gefahr, dass ihre Entscheidung vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg kassiert wird, wie es 2006 im Fall der iranischen "Volksmudschaheddin" passiert war.

Nicht zuletzt deshalb wartet man in Brüssel nun mit einiger Spannung auf das Urteil in Zypern Ende März und die Ermittlungsergebnisse aus Bulgarien, wo die Behörden noch immer nach zwei mutmaßlichen Mittätern fahnden. Sie sollen laut dem Innenministerium zusammen mit dem umgekommenen Attentäter von Beirut über Warschau nach Bulgarien eingereist sein. Nach dem Anschlag sollen sie über Rumänien und die Türkei nach Libanon zurückgekehrt sein. Wenn eine Verbindung der Hisbollah zum Attentat von Burgas nachgewiesen werde, so heißt es in Berlin sowohl beim Kanzleramt als auch beim Auswärtigen Amt, "kann das nicht ohne Konsequenzen bleiben".

Die Geheimdienste in Europa geben sich in der Frage bedeckt, zu heikel ist sie politisch. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sehen Analysten in der Vorgehensweise Indizien für eine mögliche Beteiligung der Hisbollah, zumal es in der thailändischen Hauptstadt Bangkok einen ähnlichen Anschlag gab. Logistisch und von den Organisationsstrukturen her, so glauben die Dienste, seien sowohl Hisbollah als auch staatliche Stellen in Iran - der Schutzmacht der Hisbollah - in der Lage, Anschläge auf Personen und Objekte auch außerhalb des Nahen Ostens zu verüben. Es fehlt bislang aber offenbar der Beweis für eine direkte Verantwortlichkeit der Hisbollah oder des Regimes in Teheran für die Attentate, die im Schattenkrieg mit Iran als Vergeltungsschläge für die Ermordung von Mitarbeitern des dortigen Atomprogramms gelten.

Nicht alle wollen die Hisbollah isolieren

Ein Bann gegen Hisbollah würde allerdings nicht jeder in der EU politisch wirklich gern sehen. Zwar dringen Briten und Niederländer darauf, sie zur Terrororganisation zu erklären. Die Franzosen aber sind nach wie vor skeptisch, weil sie befürchten, dass die EU dann den Kontakt zu einer in Libanon wichtigen politischen Kraft verliert. Die europäische Nahost-Diplomatie, so beklagen manche Diplomaten, leide schon jetzt darunter, dass die palästinensische Hamas auf der Terrorliste steht und direkte Verhandlungen daher nicht möglich sind. Dazu kommt die instabile Situation in Syrien und die Befürchtungen, der Bürgerkrieg könne vollends auf das Nachbarland übergreifen. Zudem könnte sich die Hisbollah zu weiteren Anschlägen in Europa ermutigt sehen, wenn sie ohnehin schon auf der Liste steht und quasi nichts zu verlieren hat.

Bis vor einem Jahr hat die Hisbollah Europa vor allem als Rückzugsraum genutzt. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hat sie in Deutschland etwa 950 Mitglieder, die sich vor allem in lokalen Moscheevereinen organisieren. Sie leisteten demnach "finanzielle und logistische Hilfen" für Hisbollah in Libanon, waren bislang aber nicht durch gewalttätige Aktionen aufgefallen. Nun aber sollen in Europa lebende Anhänger zunehmend Kurierdienste und logistische Aufgaben übernehmen, auch weil sie mit ihren Pässen aus der EU leichter und unauffälliger reisen können als Libanesen.

Als mögliche Lösung wird in der EU überlegt, zwischen dem politischen und dem militärischen Flügel der Hisbollah zu unterscheiden und nur letztgenannten auf die Terrorliste zu setzen. Diese Idee allerdings entlockt etwa den Israelis nur ein müdes Lächeln: Eine solche Unterscheidung gebe es in der Wirklichkeit der Hisbollah nicht.

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