Scheidungskinder:Verordnen hilft da nicht

Eine Woche ist das Kind bei der Mutter, eine beim Vater, das klingt nach einer geradezu idealen Lösung nach einer Trennung. Doch das so genannte Wechselmodell kann auch schnell zum Horror werden, wenn einer der Elternteile nicht mitspielt.

Von Constanze von Bullion

Es provoziert Kämpfe zwischen Eltern und treibt Leute, die sich mal geliebt haben, vor Gericht. Das sogenannte Wechselmodell, bei dem Kinder nach der Trennung der Eltern gleich viel Zeit bei Mutter und Vater verbringen, scheint vielen Alleinerziehenden ein Albtraum zu sein. Nach der Trennung vom Partner auch noch die Kinder abgeben zu müssen und damit Anspruch auf regulären Kindesunterhalt, das kann sich nur eine Minderheit vorstellen. Für andere, oft sind es Väter, steht das Wort "Wechselmodell" hingegen für ein Heilsversprechen, das endlich für Gerechtigkeit sorgen soll. Für Scheidungskinder aber ist es: der Horror. Nicht unbedingt das Wechselmodell selbst. Der Horror sind die Saalschlachten, die Eltern aufführen, wenn sich beide ums Kind reißen und der Staat nicht hilft.

Es ist also richtig, dass die SPD jetzt dem Beispiel des Bundesgerichtshofs folgt und sich das Streitthema Wechselmodell vornimmt. Denn der Wunsch, Scheidungskinder in gleichem Umfang zu betreuen, schürt immer häufiger Unfrieden in Familien. Mit der Zahl arbeitender Mütter wächst die Zahl der Väter, die versuchen, sich die Kinderbetreuung mit der Partnerin fair zu teilen. Nach einer Trennung aber fühlt sich mancher zum 50er-Jahre-Papi degradiert. Jedes zweite Wochenende und Ferien mit den Kindern, das reicht vielen nicht mehr. Auch wäre mancher gern Unterhaltspflichten los, was möglich wird, wenn beide Elternteile genau gleich viel betreuen. Väter-Lobbygruppen trommeln blindwütig fürs Wechselmodell. Da ist es kein Fehler, den rechtlichen Rahmen genauer zu klären. Was die SPD nun vorschlägt, ist aber noch ungenügend.

Mutter und Vater, beide müssen das Wechselmodell wollen

Die Sozialdemokraten wollen ein Gesetz, das Gerichten erlaubt, das Wechselmodell anzuordnen, auch wenn ein Elternteil nicht will. Bisher ist das nicht möglich, aus gutem Grund. Wenn ein Kind im Wochentakt zwischen zwei Haushalten pendelt und mit dem Turnbeutel nicht auch der Frohsinn auf der Strecke bleiben soll, müssen Eltern extrem gut kommunizieren: über Schularbeiten, platte Fahrradreifen, das neue Computerspiel, Geld. Nach den Verwerfungen einer Trennung schaffen viele das nicht. Es hält auch nicht jedes Kind ständige Ortswechsel gut aus. Kein Mensch zieht gern jede Woche um. Wechselmodell klingt gerecht. Zieht einer nicht richtig mit, kann es zur Qual werden.

Verordnen hilft da nicht, aber die Politik sollte Eltern Brücken zu neuen Betreuungsmodellen bauen. Wer Kompromisse macht, gehört da belohnt. Streithansel und -hanselinnen unter Eltern aber sollten zu Mediation verpflichtet werden, auf Dauer und mit genauen Informationen ans Gericht. Wer nicht mitmacht, verliert Ansprüche aufs Kind. Das gleiche Prinzip muss beim Geld gelten. Wer sich vor Zahlungen drückt oder bei der Scheidung Gewinnmaximierung anstrebt, disqualifiziert sich für das gewünschte Betreuungsmodell. Frieden schließen soll sich rentieren. Der Kindesunterhalt aber muss genauer gestaffelt werden, je nach Verdienst und Betreuungszeiten. Die Zeit grober Lösungen ist vorbei.

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