Scheidender US-Präsident:Obama gibt die Hoffnung nicht auf

Barack Obama

Unterschütterlicher Optimismus: Barack Obama

(Foto: AP)

Die USA werden Präsident Trump überleben, davon ist Obama überzeugt. Sein Optimismus war entscheidend für seine Karriere - anders als viele Afroamerikaner konnte er den Weißen vertrauen.

Von Matthias Kolb, Washington

Am 4. November 2008 hat es Barack Obama geschafft. Er ist zum 44. Präsidenten der USA gewählt geworden und im Grant Park in Chicago ruft er der Menge zu: "Ich war nie der wahrscheinlichste Kandidat für dieses Amt."

In der Nacht auf Mittwoch (deutscher Zeit) kehrt Amerikas erster schwarzer Präsident in seine Heimatstadt zurück und hält dort seine Abschiedsrede. Er wird das Erreichte verteidigen (Obamacare, mehr Rechte für Homosexuelle, Millionen Jobs, Kampf gegen Klimawandel) und die US-Bürger daran erinnern, dass Intoleranz und Diskriminierung von Minderheiten unamerikanisch ist - und dass die Vielfalt der USA ein Zeichen von Stärke ist.

Mit Obama verabschiedet sich ein unverbesserlicher Optimist, der keine Angst zeigt und hoffnungsvoll bleibt. "Don't choose fear, choose hope!" rief er stets als Wahlkämpfer für Hillary Clinton und anders als First Lady Michelle gibt er sich nach dem Sieg des Republikaners "vorsichtig optimistisch". Gewiss: Obama tut in den letzten Tagen alles, um sein Erbe zu sichern und Trumps Spielraum zu begrenzen, doch in seinen Abschiedsinterviews ist der Tenor gleich: Es wird alles gut gehen, auch wenn Donald Trump im Weißen Haus sitzt.

Um den Ursprung dieses Optimismus' geht es auch in einem Artikel im Magazin The Atlantic, für das Autor Ta-Nehisi Coates mit Obama lange Gespräche geführt hat. Es besteht kein Zweifel: Neben Obamas rhetorischem Talent war dieses positive Denken entscheidend für seinen politischen Erfolg.

In vielen Reden hat Obama Martin Luther King zitiert, der überzeugt war, dass gesellschaftlicher Fortschritt nicht aufzuhalten sei: "Der Bogen des moralischen Universums mag lang sein, aber er neigt sich der Gerechtigkeit zu." Es mag schmerzvoll lange dauern, aber die Dinge werden besser.

Obama wurde von weißen Großeltern erzogen

Ta-Nehisi Coates, der momentan wichtigste schwarze US-Intellektuelle, verschweigt nicht, dass ihn Obamas fehlende Wut verwundert - doch sie lässt sich durch dessen Biografie erklären. Obama wurde von seiner weißen Mutter und seinen weißen Großeltern erzogen: "Sie haben ihm vermittelt, dass es nicht schlimm ist, schwarz zu sein. Noch wichtiger aber: Er wuchs auf Hawaii auf, also an einem Ort, wo man die gewalttätigen Folgen des Rassismus und der Rassentrennung kaum spürte."

1961, als Obamas kenianischer Vater und seine aus Kansas stammende Mutter in Honolulu heirateten, war eine solche Verbindung in vielen Bundesstaaten illegal und lebensgefährlich. Als Barack als Grundschüler mit seiner Mutter und deren zweitem Ehemann in Indonesien lebte, wurden in den USA schwarze Teenager mit Steinen beworfen. Coates ist überzeugt: "Obama wurde nicht traumatisiert und deswegen konnte er seinen weißen Landsleuten auf eine Art begegnen und ihnen Vertrauen entgegenbringen, wie es mir und meinen Bekannten aus Baltimore unmöglich ist."

Als er 2004 für den US-Senat kandidierte, so erzählt Obama, traf er im Süden des Bundesstaats Illinois auf viele weiße Bauern und Arbeiter, die ihn skeptisch betrachteten. Doch er hatte keine Berührungsängste, da ihn diese Wähler an seine Großeltern erinnerten, die auch aus dem Mittleren Westen stammten.

Dass er die Unterstützung dieser sozialkonservativen weißen Farmer erhielt und diese ihm eine Chance gaben, bestärkte Obama in seinem positiven Denken. 2004 wurde er landesweit bekannt, als er auf dem Demokraten-Parteitag voller Optimismus ausrief: "Es gibt kein liberales Amerika und kein konservatives Amerika: Es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika. Es gibt kein schwarzes Amerika, kein weißes Amerika, kein Latino-Amerika und kein asiatisches Amerika: Es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika."

Schwarze vertrauen ihm, den Weißen gab er Hoffnung

Vier Jahre nach diesem Auftritt besiegte er Hillary Clinton und wurde als Präsidentschaftskandidat der Demokraten nominiert. Hier kommt ein weiterer Punkt aus Obamas einzigartiger Biografie ins Spiel: Als Sohn eines schwarzen Vaters und einer weißen Mutter kennt er nicht nur beide Welten, sondern entschloss sich bewusst dazu, Afroamerikaner zu sein (der Netflix-Film "Barry" schildert diese Identitätssuche) und etwa als Sozialarbeiter in Chicago zu arbeiten und auf Reformen zu drängen.

Ta-Nehisi Coates argumentiert, dass es viele afroamerikanische Wähler beeindruckt, dass Obama sich nicht von seiner Herkunft distanziert: "Wir Schwarze wissen, dass er einen Preis dafür bezahlt, sich als "schwarz" zu definieren, eine schwarze Frau wie Michelle zu heiraten und etwa die Hip-Hop-Kultur zu umarmen." Weil Obama bereits das Vertrauen der Schwarzen hatte, musste er nicht die weiße Mehrheitsgesellschaft ständig anklagen und dadurch weiße Wähler verschrecken. Diese Kombination macht Obama (und seine Wahlsiege) so einzigartig: Er musste vieles nicht aussprechen, weil die Afroamerikaner wussten, dass er ihren Alltag kennt.

Ob Obamas Optimismus, gepaart mit einem Grundvertrauen in die Anständigkeit der Amerikaner, dazu geführt hat, die Wut vieler Amerikaner und damit die Siegchancen von Donald Trump zu unterschätzen, ist eine berechtigte Frage, die der scheidende Präsident bisher nicht beantwortet hat.

Zweifellos hat ihn der langjährige Widerstand der Republikaner gegen seine Politik überrascht und enttäuscht - dies sei nur durch parteitaktische Gründe motiviert gewesen und ein Ausdruck von Zynismus. In einem Interview mit David Axelrod, seinem langjährigen Berater und Redenschreiber, betont er dies: "Ich bin stolz darauf, dass meine Leute im Weißen Haus niemals zynisch wurden. Ja, wir waren manchmal verärgert und frustriert, aber wir haben nie gedacht, dass Politik etwas Schlimmes ist."

Wie stark sich Obama weiter einmischt, hängt von Trump ab

Barack Obama bleiben noch zehn Tage im Weißen Haus, danach will er eine lange Reise "an einen warmen Ort" machen. Er wird mit seiner Frau Michelle und Tochter Sasha in Washington wohnen bleiben und seine Memoiren schreiben. Der 55-Jährige hat angekündigt, sich um die "My Brother's Keeper"-Initiative zur Unterstützung schwarzer Jugendlicher zu kümmern und er will dafür kämpfen, dass mehr Demokraten in Parlamente und zu Gouverneuren gewählt werden.

Der Politbeobachter E. J. Dionne vom Thinktank Brookings äußert eine Vorhersage, die viele in Washington teilen: "Ich vermute, dass Obama es vorziehen würde, sich aus der Politik herauszuhalten. Ich erwarte aber, dass Trump ihm diese Möglichkeit nicht geben wird." Es wird also von seinem eigenen Nachfolger abhängen, ob Obama seinen bisher unerschütterlichen Optimismus behält oder nicht.

Linktipp: Der lange Essay "My president was black" von Ta-Nehisi Coates über Obamas Präsidentschaft erschien im Atlantic. Das sehr persönliche Gespräch zwischen Obama und seinem langjährigen Berater David Axelrod für dessen CNN-Podcast "The Axe Files" ist hier nachzulesen.

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