Schattenkabinett der SPD:Steinbrücks Verwundertüte

Peer Steinbrück in Rheinland-Pfalz

SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück während seiner Länderreise in Andernach (Rheinland-Pfalz) 

(Foto: dpa)

Gewerkschafter Wiesehügel, Netzpionierin Joost: Peer Steinbrück stellt die ersten Kandidaten seines Kompetenzteams vor. Der SPD-Spitzenkandidat hat damit eine Wundertüte gebastelt, mit mal entzückenden, mal enttäuschenden Inhalten.

Ein Kommentar von Susanne Höll, Berlin

Die SPD mitsamt ihrem Kanzlerkandidaten ist bekanntlich nicht glänzend in den Bundestagsvorwahlkampf gestartet. An einen rot-grünen Wahlerfolg am 22. September glaubt im Moment ernsthaft kaum ein Mensch. Damit sich das ändert, brauchen die Sozialdemokraten dringend mehr Zustimmung. Und deshalb mehr Aufmerksamkeit, positiver Natur, wohlgemerkt.

Über einen Mangel an Schlagzeilen konnte sich die SPD in jüngerer Zeit zwar nicht beklagen, aber die meisten Nachrichten waren nicht geeignet, das Vertrauen in die Regierungsfähigkeit der Partei zu steigern.

Das soll und muss aus Sicht der SPD alsbald anders werden. Und deshalb stellt Steinbrück an diesem Montag die ersten drei der zehn Mitglieder seiner Wahlkampfmannschaft vor. Portionsweise präsentiert er die Truppe, die man heutzutage unschön Kompetenzteam nennt. Früher hieß es Schattenkabinett. Aber seit alle Welt weiß, dass im Fall eines Wahlsieges nur wenige aus solchen Mannschaften tatsächlich ins Kabinett kommen, war ein Namenswechsel vonnöten.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Tamtam und Firlefanz mit Wahlkampf-Mannschaften sind keine Erfindung der SPD. Jede große und jede kleine Partei kommt mit solchen Teams daher, wenn sie in die Regierung will.

Kanzlerkandidat Edmund Stoiber präsentierte 2002 die ostdeutsche CDU-Politikerin Katherina Reiche als seine Spezialistin für Familie. Sie war Mutter, wollte den Vater ihrer beiden Kinder aber zunächst nicht heiraten. Tohuwabohu, die katholische Kirche intervenierte, und die bis dahin gesellschaftspolitisch verstaubte Union war im Gespräch.

Tribut an enttäuschte SPD-Wähler

Steinbrück hat sich, nolens volens, in Person von Klaus Wiesehügel einen traditionalistischen Gewerkschafter ins Team geholt, für das wichtigste SPD-Wahlkampfthema Arbeit und Soziales. Zwischen Wiesehügel und dem Kandidaten liegen politische Welten.

Vor Jahresfrist wäre der Ex-Finanzminister Steinbrück explodiert, hätte man ihm eine solche Konstellation beschrieben. Aber Steinbrück glaubt, er müsse einen Tribut entrichten - an die enttäuschten SPD-Wähler, die sich aus Ärger über die Agenda 2010 abgewendet haben.

Das könnte sich als schwerer Fehler erweisen. Mag sein, dass einige frustrierte Anhänger wieder ihren Frieden mit der SPD machen. Aber all jene, die wie Steinbrück glauben, dass an Agenda und Rente mit 67 im Grundsatz kein Weg vorbeiführt, müssen befremdet sein. Wiesehügel repräsentiert nicht die neue, sondern die alte SPD - die aus dem vorigen Jahrhundert.

Davon können auch die anderen Mitglieder des Teams nicht ablenken - etwa die Design-Professorin Gesche Joost oder die Vize-Parteivorsitzende Manuela Schwesig. Auch nicht Thüringens umtriebiger Wirtschaftsminister Matthias Machnig, sollte er denn in die Mannschaft kommen.

Steinbrück hat eine Wundertüte gebastelt. In so einer Tüte finden Kinder neben allerlei Süßigkeiten auch kleine Überraschungen. Manche sind entzückend, andere dagegen enttäuschend.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: