Schäuble erwägt spätere Steuerreform:Einfach aufschieben

Finanzminister Schäuble soll eine Verschiebung der geplanten Steuersenkungen ins Auge fassen - auf die Zeit nach 2011. Unterdessen mehren sich die Stimmen aus der Koalition, die von der Kanzlerin mehr Führung fordern.

Das Bundesfinanzministerium plädiert offenbar für eine Verschiebung der für 2011 geplanten Steuerreform. Die Überlegungen sehen vor, das Vorhaben zwar schon in diesem Jahr zu beschließen, aber erst nach 2011 in Kraft treten zu lassen, berichtet das Nachrichtenmagazin Der Spiegel.

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Finanzminister Wolfgang Schäuble plant offenbar eine Verschiebung der Steuerreform.

(Foto: Foto: AP)

Die Einnahmeausfälle von bis zu 20 Milliarden Euro seien für die angespannten öffentlichen Haushalte ein oder zwei Jahre später besser zu verkraften, heißt es zur Begründung. Beabsichtigt ist, den Vorschlag schon beim anstehenden Krisengespräch der Koalitionsspitze im Kanzleramt zur Sprache zu bringen.

Am 17. Januar wollen die drei Parteichefs der Koalition, Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP), bei einem Abendessen versuchen, die innerhalb der Koalition umstrittenen Punkte zu klären, darunter auch die Frage der Steuerreform.

Dem Spiegel zufolge soll auch Schäuble in die Pläne einbezogen sein. Im Tagesspiegel am Sonntag antwortete er allerdings ausweichend auf die Frage, ob das stimme: "An Spekulationen beteilige ich mich nicht", sagte er dem Blatt.

Allerdings bezweifelte er erneut die von der FDP kategorisch geforderte Entlastung um insgesamt 24 Milliarden Euro. Zugleich kündigte er erneut umfangreiche Sparmaßnahmen an.

"Ob eine so umfangreiche steuerliche Entlastung realistisch ist, kommt zum einen darauf an, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung im Mai darstellt und zum zweiten darauf, zu welchen Einsparungen die Koalition bereit ist. Beides wird nicht voneinander zu trennen sein", sagte der CDU-Minister. Der Abbau des Rekorddefizits werde der Koalition "politische Klugheit und weniger Geschwätzigkeit abverlangen", sagte Schäuble.

Die FDP dringt ungeachtet der desolaten Haushaltslage weiterhin auf Steuersenkungen. Das betonten zuletzt der liberale Finanzpolitiker Hermann Otto Solms und der hessische FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn. Die Union habe selbst darauf gedrungen, die Steuerentlastungen schon 2011 durchzuführen, sagte Solms im WDR. "Jetzt sollte sie auch zu diesem Verhalten stehen in der Öffentlichkeit."

Hahn sagte der dpa, die FDP habe sich in diesem Bereich über Jahre ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. "Vor der Wahl zugesagt, nach der Wahl umgesetzt - das ist die Glaubwürdigkeit der FDP."

CDU-Politiker kritisieren Merkel

Zu den Vorschlägen der Liberalen gehört die Einführung eines dreistufigen Steuersystems, das den Staat Schätzungen zufolge etwa 20 Milliarden Euro kosten könnte. Doch der Widerstand aus der Union spricht nicht dafür, dass die Liberalen ihr zentrales Wahlkampfthema so schnell werden umsetzen können.

Bereits am Freitag hatte sich der scheidende baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger (CDU) im Gespräch mit Spiegel Online von den Steuerplänen der FDP distanziert. Mit Blick auf die Prognosen und die anstehende Steuerschätzung sehe er derzeit "für 2011 keinen Spielraum für erhebliche Entlastungen".

CSU-Chef Horst Seehofer hatte die Ansicht geäußert, die FDP müsse in Sachen Steuersenkungen bald ihre Fahnen wieder einrollen. Seine Partei will inzwischen über die nächsten Schritte zur Entlastung der Bürger erst nach der Steuerschätzung im Mai und einer Bewertung der wirtschaftlichen Entwicklung entscheiden.

Angesichts der neuen Überlegungen aus dem Finanzministerium dürften nun Forderungen an Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter zunehmen, in dieser und anderen Streitfragen endlich einen klaren Kurs vorzugeben. Bereits jetzt wird vielfach Kritik in dieser Richtung laut.

FDP-Vizechef Andreas Pinkwart sagte dem Focus, er erwarte von der Bundeskanzlerin, dass "sie als Parteivorsitzende ihre Richtlinienkompetenz" nutze. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende FDP-Vorsitzende Cornelia Pieper gegenüber dem Magazin: "Die FDP erwartet, dass sie (Merkel) die Führung der Koalition wieder in die Hand nimmt."

Kritik aus den Ländern

Doch auch in den eigenen Reihen wird mehr von der Kanzlerin erwartet. Oettinger räumte im Gespräch mit Spiegel Online ein, dass es zu Beginn innerhalb der Koalition ein bisschen geholpert habe. Das müsse man jetzt besser werden - dabei sei vor allem Merkel gefordert.

Mit Blick auf das geplante Krisengespräch der Parteichefs sagte Oettinger: "Ich gehe davon aus, dass die Kanzlerin bei dem angekündigten Sechsaugengespräch die klare inhaltliche Führung übernimmt."

Auch führende CDU-Landespolitiker aus vier Bundesländern übten wenige Tage vor der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstands heftige Kritik an ihrer Parteichefin. In einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung werfen sie Merkel vor, im Bundestagswahlkampf nicht als Parteivorsitzende, sondern als Regierungschefin der großen Koalition aufgetreten zu sein.

Die Union habe auf eine "dezidierte Wahlkampfauseinandersetzung" verzichtet, kritisierten sie. "Der präsidiale Stil der Kanzlerin brachte ihr zwar hohe Popularitätswerte, aber wenig parteipolitische Identifikation", heißt es in dem Beitrag der Vorsitzenden der CDU-Fraktionen in den Landtagen von Hessen, Sachsen und Thüringen, Christean Wagner, Steffen Flath und Mike Mohring, sowie der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Fraktion im brandenburgischen Landtag, Saskia Ludwig.

Die Regierungsmehrheit für CDU/CSU und FDP sei nicht das Ergebnis einer überzeugenden Wahlkampfstrategie. Vielmehr hatte die Union schlichtweg Glück", so das Fazit der Landespolitiker.

Der CDU-Bundesvorstand will auf seiner Klausurtagung am Donnerstag und Freitag auch über den Ausgang der Bundestagswahl und die Wahlkampfstrategie diskutieren. Zur Sprache kommen dürften aber auch das schlechte öffentliche Erscheinungsbild nach gut zehn Wochen schwarz-gelber Koalition. In der CDU wird inzwischen auf ein klärendes Wort der Parteivorsitzenden und Kanzlerin gewartet.

Offenbar weniger Schulden

Eine gute Nachricht gibt es aber doch für die Koalitionäre: Offenbar hat der Bund im vorigen Jahr nach Angaben des Finanzministeriums deutlich weniger Schulden aufgenommen als zunächst veranschlagt. Die Neuverschuldung für 2009 dürfte auch noch unter den vor Weihnachten genannten Erwartungen von 37,5 Milliarden Euro liegen. Der endgültige Haushaltsabschluss für 2009 werde Ende kommender Woche vorgelegt, sagte eine Ministeriumssprecherin.

Die vom Spiegel verbreitete Höhe der Nettokreditaufnahme 2009 von 36 Milliarden Euro könne sie nicht bestätigen. Die Größenordnung gehe aber in die richtige Richtung. Ursprünglich waren von der großen Koalition und dem damaligen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise 49 Milliarden Euro zusätzliche Kredite eingeplant worden.

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