Koalition:Schäuble ist der Unions-Präsident

Koalition: Wolfgang Schäuble nimmt für sich in Anspruch, der Erste in der Union gewesen zu sein, der Angela Merkel zutraute, Kanzlerin zu werden.

Wolfgang Schäuble nimmt für sich in Anspruch, der Erste in der Union gewesen zu sein, der Angela Merkel zutraute, Kanzlerin zu werden.

(Foto: AFP)

Der Finanzminister spielt in der Union dieser Tage eine immer wichtigere Rolle, je tiefer Seehofer und Merkel in ihrem Zerwürfnis versinken. Die Frage ist nur: welche Rolle?

Von Nico Fried

Wolfgang Schäuble und Horst Seehofer sind sich wahrscheinlich vor 36 Jahren das erste Mal begegnet. Damals, der Kanzler hieß noch Helmut Schmidt, zog der junge Mann aus Ingolstadt in den Bundestag ein, in dem der Badener Schäuble schon zum dritten Mal saß und in der CDU/CSU-Fraktion alsbald Parlamentarischer Geschäftsführer wurde.

Etwa zehn Jahre später traf Schäuble dann bei den Verhandlungen zur Einheit die stellvertretende Regierungssprecherin der DDR - und nimmt heute für sich in Anspruch, der Erste in der Union gewesen zu sein, der Angela Merkel zutraute, Kanzlerin zu werden. Seehofer und Schäuble kennen sich besonders lange; Merkel und Schäuble kennen sich besonders gut.

Schäuble spielt in der Union dieser Tage eine immer wichtigere Rolle, je tiefer Seehofer und Merkel in ihrem Zerwürfnis versinken. Die Frage ist nur: welche Rolle? In einem Interview hat Schäuble jetzt gesagt, es gehe nicht um einen Streit zwischen Merkel und Seehofer - "das sind Attacken gegen Merkel". Schäuble hat die Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik schon einige Male unterstützt. Das Besondere diesmal ist, dass er ihre Kritiker offen kritisiert.

Schäuble arbeitet als Minister seit elf Jahren unter Merkel und steht für viele in der Union trotzdem über den Dingen. So sehr betont er bisweilen seine Loyalität, dass es schon ans Kokettieren grenzt. Umgekehrt zitiert Merkel niemanden so oft wie Schäuble, bei niemandem ist ihr der Eindruck politischer Nähe so wichtig. Gleichzeitig ist Schäuble aber auch eine Instanz in der CSU, wo er respektiert wird wie kein anderer aus der CDU. Schäuble ist nicht Chef der Regierung und nicht Vorsitzender einer Partei, am ehesten ist er in der Union aus CDU und CSU der Präsident.

Er ist derjenige, dessen Kritik die CSU ernst nehmen muss

Dazu passt, dass Schäuble sich gerne als Mischung aus Sphinx und Orakel inszeniert: Einerseits lässt er sich zu heiklen Fragen selten etwas entlocken; andererseits mag er es, wenn er mal etwas sagt, wie sich die Auguren über seine dürren Worte beugen. Im Herbst 2015 sprach er davon, dass es immer einen unvorsichtigen Skifahrer brauche, um eine Lawine auszulösen.

Lange ließ er die Deutung unwidersprochen, dies sei als Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik gemeint gewesen. Neben Schäuble sollte sich niemand dauerhaft auf der politisch sicheren Seite wähnen. Gemessen daran waren jetzt seine Sätze über den Unions-Streit eindeutig. Und CSU-Chef Seehofer weiß, dass er diese Kritik ernst nehmen muss, weil Schäuble sich dafür von Merkel nicht benutzen ließe.

Auf den ersten Blick sieht Schäuble aus wie der ideale Vermittler zwischen Merkel und Seehofer. Aber auf dieser Ebene der Politik ist solche Hilfe nur begrenzt möglich, weil sie die Autorität der Hilfsbedürftigen sofort infrage stellt. Wahrscheinlicher ist, dass Schäuble ein entscheidendes Wort über die Zukunft der Union mitspricht, wenn sich die zwei Parteivorsitzenden nicht mehr zusammenraufen sollten. Er wäre der Einzige, der im äußersten Fall auch frei genug wäre zu sagen, dass es mit beiden nicht mehr geht.

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