Gleichberechtigung:Ultrakonservatives Saudi-Arabien lässt Frauen zum ersten Mal wählen

Life In The Kingdom of Saudi Arabia

Saudische Frauen in einer Shopping-Mall in Dschiddah. An diesem Samstag dürfen sie erstmals wählen.

(Foto: Jordan Pix/Getty)

Sie dürfen sich an diesem Samstag auch erstmals zur Wahl stellen. Doch muss sich zeigen, ob das mehr ist als ein PR-Gag der Regierung.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Frauen in Saudi-Arabien unterliegen wegen der extrem strikt ausgelegten islamischen Rechtsordnung einschneidenden Beschränkungen: Sie dürfen ohne Zustimmung eines männlichen Vormundes - ihres Mannes oder eines Verwandten - weder arbeiten noch studieren, sie dürfen nicht reisen und infolge dieser Bestimmung auch nicht allein Auto fahren. An diesem Samstag aber können sie zum ersten Mal in der Geschichte des ultrakonservativen Königreichs wählen - und sich auch selber zur Wahl stellen.

In den 284 Kommunen des Landes werden die Räte neu gewählt. Unter den 6900 Kandidaten sind etwa 980 Frauen, wie Jedai al-Qahtani bekannt gab, der Vorsitzende der Wahlkommission. Sie bewerben sich auf etwa 2100 der 3200 Sitze in den Räten; die restlichen werden von der Regierung ernannt. Unter den registrierten Wählern gibt es 130 000 Frauen, ihnen stehen fast 1,5 Millionen Männer gegenüber.

Bei geschätzt mehr als zwölf Millionen wahlberechtigten Bürgern und einer Senkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre spricht das nicht für allzu große Begeisterung für die vorsichtigen demokratischen Gehversuche - die Räte haben allerdings auch nur sehr begrenzte Macht, über konkrete Fragen in den Kommunen zu entscheiden.

Kritiker sprechen von einer PR-Aktion

Analysten wie Ali al-Ahmed von dem in Washington ansässigen Institute for Gulf Affairs sehen die Wahlen vor allem als gelungene PR-Aktion der Regierung, die nichts an der grundlegenden Benachteiligung der Frauen ändern; die Regierung erteilte Journalisten recht freizügig Visa.

Etliche Kandidatinnen in Saudi-Arabien zeigten sich in Interviews mit westlichen Medien dagegen optimistisch, dass die Wahlen ein erster Schritt für weitere Reformen sein könnten. "Jemand muss den Anfang machen", sagte etwa die 50-jährige Kandidatin Karima Bokhary der Washington Post, eine Lehrerin. Sie tue das für ihre Töchter, 18 und 20, die einen neuen Weg kennenlernen würden, in Saudi-Arabien als Frau zu leben. Frauen müssten sich stärker engagieren und Gehör verschaffen. Das Land hat eine junge Bevölkerung, die Hälfte ist nicht älter als 25 Jahre.

Durchgesetzt hatte das bereits vor Jahren angekündigte Frauen-Wahlrecht noch der im Januar gestorbene König Abdullah. Vorsichtige Versuche, die Stellung der Frau in der saudi-arabischen Gesellschaft gegen den massiven Widerstand konservativer Kleriker zu verbessern, gelten als wichtiger Teil seines politischen Erbes. Er hatte 30 der 150 Sitze des beratenden Schura-Rats mit Frauen besetzt, eine gemischtgeschlechtliche Universität aufbauen lassen und Frauen das Ergreifen von Berufen ermöglicht, die ihnen verschlossen waren. Heute gibt es 48 Prozent mehr berufstätige Frauen in Saudi-Arabien als noch 2010 - insgesamt machen sie aber nur 16 Prozent aller Beschäftigten aus.

Gemischte Versammlungen sind nicht erlaubt

Sein Nachfolger, König Salman, der in seiner früheren Funktion als Gouverneur der Hauptstadt Riad enge Verbindungen zu konservativen Klerikern und Stämmen pflegte, gilt in gesellschaftspolitischen Fragen als deutlich konservativer. So entließ er im Zuge der Regierungsbildung nach seiner Thronbesteigung die einzige Frau im Kabinettsrang, machte aber die noch von Abdullah angestoßenen Reformen bislang nicht rückgängig.

Auf Hindernisse durch die strikte Trennung der Geschlechter stoßen Frauen allerdings schon, wenn sie Wahlkampf machen wollen: Gemischte Versammlungen sind nicht erlaubt, ebenso dürfen Frauen nicht sichtbar vor einem rein männlichen Publikum auftreten, selbst wenn sie den Niqab tragen, den Gesichtsschleier, der nur einen Sehschlitz freilässt.

Sie müssen hinter einer Trennwand oder über Lautsprecheranlagen zu den Männern sprechen, die sie als Wähler gewinnen wollen. Oder sie bedienen sich männlicher Wahlhelfer. Allzu aufmüpfig sollten sie allerdings nicht sein: Mindestens zwei Aktivistinnen, die sich für Frauenrechte einsetzen, wurden nicht zur Wahl zugelassen.

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