Saudi-Arabien:Wohltaten für die Untertanen

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Saudi-Arabiens König Salman: Der 81-Jährige, Sohn von Staatsgründer Abduaziz Ibn Saud, verteilt immer mehr Macht an jüngere Prinzen. (Foto: Bandar Algaloud/Reuters)

Der König nimmt die Gehaltskürzungen für Staatsdiener zurück - nicht unbedingt ein Reformstopp.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Der Monarch hat das Grummeln der Untertanen gehört, und zugleich verschaffen ihm höhere Ölpreise und geringere Staatsausgaben finanziell Luft. Das hat es dem saudischen König Salman erlaubt, in einer spektakulären Wende die extrem unpopulären Gehaltskürzungen für Staatsbeschäftigte rückgängig zu machen, die im Oktober in Kraft getreten waren. Symbolträchtig hatte er seinen Ministern die Gehälter um 20 Prozent gekürzt. Weit mehr Wirkung hatten aber Streichungen bei Boni und Sonderzahlungen der normalen Beamten; zehn Milliarden Dollar sollen sie in nur knapp sieben Monaten eingespart haben, schätzen Finanzanalysten. Zugleich verloren damit die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und des Militärs zwischen 15 und 25 Prozent ihrer Gehälter. Und das in einem Land, in dem etwa zwei Drittel der Berufstätigen immer noch beim Staat beschäftigt sind.

König Salman sei daran gelegen, seinen Untertanen Komfort zu bieten, hieß es im Dekret. Das Herrschaftsmodell der absoluten Monarchie fußt in Teilen darauf, dass die Untertanen sich auf auskömmliche Versorgung verlassen können, man ihnen politische Mitbestimmung nach westlichem Vorbild aber weitgehend vorenthält. Der König stellte dies mindestens infrage, als er die Gehälter kürzte - sein Schritt wurde denn auch als Beleg dafür gehandelt, wie prekär die Lage des Ölstaates geworden war: 2015 gab er mit 128 Milliarden Dollar fast die Hälfte seines Haushalts für Gehälter aus und verzeichnete ein Defizit von 98 Milliarden Dollar, laut Weltbank sind das 15,2 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Offene Proteste gab es im Königreich nicht - aber Aufrufe dazu in sozialen Netzwerken und harsche Unmutsbekundungen - auch ein Signal für den Anbruch neuer Zeiten. Nun hat sich der Ölpreis von 28 auf 52 Dollar je Barrel erholt, leicht über der Marke, die dem Haushalt zugrunde liegt. Und es gilt als wahrscheinlich, dass die Opec-Staaten und andere Ölländer eine Vereinbarung verlängern, die Fördermengen deckelt und den Markt stabilisiert. Das Defizit sank 2016 auf 79 Milliarden Dollar, 2017 soll es auf 52 Milliarden zurückgehen.

Im ersten Quartal 2017 war nun der Fehlbetrag mit sieben Milliarden nur halb so hoch wie erwartet - der König kann den Untertanen entgegenkommen und die Binnennachfrage beleben; das Wirtschaftswachstum wurde nach 1,4 Prozent in 2016 mit nur noch 0,4 Prozent prognostiziert.

Es sieht so aus, als wolle der Monarch den Generationswechsel vorantreiben

Stadtgespräch in Riad ist nun, ob diese Wende eine Niederlage für Mohammed bin Salman ist. Der mächtige 31-jährige Lieblingssohn des Königs, der als Vorsitzender des Wirtschaftsrates dem Land eine ambitionierte Reformagenda verordnet hat, ist manchen Konservativen zu ungestüm und übereifrig. Auf den ersten Blick mag das so aussehen, auch wenn das Dekret offiziell auf Prinz Mohammeds Empfehlung erging. Allerdings ist keine Rede davon, die Strukturreformen zu stoppen, mit denen das Königreich unabhängiger werden soll von Öleinnahmen, weder die Abschaffung von Subventionen noch die fieberhaft erwartete Privatisierung von bis zu fünf Prozent des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco per Börsengang Mitte 2018.

Andere Dekrete legen nahe, dass der 81 Jahre alte Monarch die Stellung des stellvertretenden Kronprinzen festigt und den Generationswechsel vorantreibt. So wird Mohammeds jüngerer Bruder, Prinz Khaled, Botschafter in Washington. Der Kampfpilot erinnert manche in den USA ob der biografischen Ähnlichkeit schon an Prinz Bandar bin Sultan, Riads legendären Emissär, der Jahrzehnte direkten Zugang zu US-Präsidenten genoss. Einer von Mohammeds älteren Halbbrüdern, Prinz Abdulaziz, wurde zum Staatsminister für Energie-Angelegenheiten befördert, der neben der Öl- und Gaspolitik auch den Börsengang von Saudi-Aramco in seinem Portfolio hat.

Awwad al-Awwad, 45, bisheriger Botschafter des Königreichs in Berlin und Vertrauter von MbS, wie Prinz Mohammed genannt wird, steigt auf zum Informations- und Kulturminister. Ihm kommt es damit zu, gesellschaftspolitische Reformen voranzutreiben, die Mohammed angestoßen hat und die sich in der Gründung einer Unterhaltungsbehörde manifestieren; erstmals seit Jahrzehnten gibt es wieder öffentliche Konzerte, die Zulassung von Kinos wird geprüft. Al-Awwad, wie Prinz Mohammed Verfechter einer vorsichtigen Öffnung des Landes, wird es zudem obliegen, das Image des Königreichs zu verbessern, das wegen des Jemen-Krieges und der ultrakonservativen Auslegung des Islam schlecht ist.

Intern hat der König damit begonnen: Er schasste den Minister für den öffentlichen Dienst, weil der seinem Sohn einen gut bezahlten Job zugeschanzt haben soll, und ließ im Staatsfernsehen verkünden, eine Untersuchung wegen Amtsmissbrauchs einzuleiten. Das ist unerhört in Saudi-Arabien, wo Nepotismus in höheren Kreisen lange Zeit als Geburtsrecht angesehen wurde.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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