Saudi-Arabien und die Ägypten-Krise:Riad bangt um die sunnitische Front

Saudi-Arabien hat bereits den vertriebenen tunesischen Diktator Ben Ali aufgenommen, nun sorgt man sich über die Entwicklung in Ägypten. König Abdullah befürchtet, dass es ohne Hosni Mubarak schwieriger wird, den schiitischen Iran einzudämmen.

Rudolph Chimelli

Die Regierung Saudi-Arabiens hat ihre Hoffnung auf eine friedliche Beilegung der ägyptischen Krise ausgesprochen. Nach einer Kabinettssitzung unter Leitung von Kronprinz Sultan, der zugleich Verteidigungsminister und Vize-Regierungschef ist, wurde in Riad mitgeteilt, eine friedliche Lösung solle Sicherheit sowie Stabilität erhalten und dürfe die Wirtschaft Ägyptens nicht gefährden.

Saudi-Arabien und die Ägypten-Krise: König Abdullah von Saudi-Arabien - hier auf einem Plakat - sorgt sich um die Entwicklung in Ägypten.

König Abdullah von Saudi-Arabien - hier auf einem Plakat - sorgt sich um die Entwicklung in Ägypten.

(Foto: AFP)

König Abdullah ist seit Monaten nicht im Land, erst war er zu einer medizinischen Behandlung in den USA, jetzt ist er zur Erholung in Marokko. Sein Alter wird auf 87 Jahre geschätzt. Mehr als 20.000 Saudis haben Ägypten inzwischen verlassen.

König Abdullah war einer der Ersten, die nach Ausbruch der Unruhen in Ägypten mit Präsident Hosni Mubarak telefonierten. Er sprach ihm seine Solidarität aus und verurteilte die Demonstrationen als Anschläge auf die Stabilität des Landes, die von "gewissen eingesickerten Elementen" verübt würden. Zuvor hatte Saudi-Arabien dem vertriebenen tunesischen Diktator Zine el-Abidine Ben Ali Asyl gewährt.

Der Großmufti Saudi-Arabiens, Scheich Abdulasis al-Scheich, ging noch weiter als der König, indem er Proteste allgemein als "chaotische Handlungen" verurteilte. Dahinter stünden "Feinde des Islam", welche die islamische Welt spalten wollten. Unter islamischen Theologen sind die Meinungen des ultrakonservativen Scheichs allerdings stark umstritten.

Aus den saudischen Stellungnahmen geht hervor, wie groß im Königreich die Besorgnis über die Entwicklung in Ägypten ist. Als Folge eines möglichen Sturzes von Mubarak befürchten die Saudis ein Machtvakuum. Zumindest werde ein Nachfolgeregime in Kairo eine gewisse Zeit brauchen, um seine außenpolitische Haltung neu zu definieren.

Ohne den jetzigen Präsidenten besteht nach saudischer Auffassung die Gefahr, dass Ägypten aus der arabisch-sunnitischen Front gegen die iranischen Schiiten ausschert. Dieses Risiko sei umso größer, als bereits der Irak und Syrien enge Beziehungen zu Teheran unterhielten. Auch die neue Regierung des Libanon, die von der schiitischen Hisbollah-Bewegung abhängig ist, bedeute eine Schwächung der saudischen Position.

Auf jeden Fall, so heißt es in Riad, werde die Last Saudi-Arabiens bei der Eindämmung des Einflusses Irans und der schiitischen Minoritäten in den sunnitisch beherrschten Ländern der Golfregion wachsen. Ferner bestehe nach einer Ablösung Mubaraks die Möglichkeit, dass die Türkei und Katar ihre Stellung in Ägypten ausbauen könnten. Beide Länder sind gegen eine Isolierung Irans. Es zeichne sich ab, dass die Saudis das sunnitische Jordanien als verbleibenden Klienten der USA mehr als bisher unterstützen müssten.

Das Drängen ihres amerikanischen Protektors auf Reformen in Ägypten weckt bei den Saudis traumatische Erinnerungen an die Islamische Revolution in Iran 1979. Auch damals hatte das Weiße Haus den Schah zu sofortigen Reformen aufgefordert. Falls die USA den ägyptischen Präsidenten fallen ließen, was sich nach Befürchtungen saudischer Experten bereits abzeichnet, dürfte dies eine drastische Verminderung oder gar Streichung der für Ägypten lebenswichtigen amerikanischen Lebensmittelhilfe bedeuten. Stillschweigend gingen die Amerikaner schon jetzt davon aus, dass in dieser Lage Saudi-Arabien finanziell einspringen würde, um Ägypten politisch bei der Stange zu halten, heißt es.

Saudi-Arabiens innere Lage unterscheidet sich grundsätzlich von der anderer arabischer Länder. Zwar gibt es auch hier soziale Probleme, die Sehnsucht nach mehr intellektueller Freiheit und einen unzufriedenen Mittelstand. Die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa zehn Prozent. Doch aufgrund traditioneller Beziehungen und familiärer Bindungen kann das Königshaus auf die Loyalität eines Teils der Stämme zählen.

Eine organisierte Opposition gibt es nicht. Parteien, Gewerkschaften, Studentenbünde sind verboten. Die Überwachung islamistischer Gruppen durch die Geheimpolizei hat sich als sehr effektiv erwiesen. Dennoch kommt es immer wieder zu kleineren Protesten. So demonstrierten im Januar einige hundert Lehrer vor dem Erziehungsministerium für Übernahme in den Staatsdienst.

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