Sarrazin und die SPD:Verhöhnt und gedemütigt

Das SPD-Mitglied Sarrazin lästert gegen die geplante Migranten-Quote seiner Partei. Die SPD-Spitze steht da wie ein begossener Pudel: Auch nach dem Schiedsverfahren spricht Sarrazin weiter von erblicher Intelligenz.

Thorsten Denkler

Das hatte sich die SPD-Generalsekretärin am Gründonnerstag wohl doch anders vorgestellt. Gegen eine schwammige Erklärung, dass er Migranten nicht habe diskriminieren wollen, zog Andrea Nahles im Namen der Bundes-SPD ihre Beschwerde zurück. Nun sollte endlich Frieden sein.

Vorschau: SPD-Parteiausschlussverfahren gegen Sarrazin beginnt

Er polarisiert weiterhin und kritisiert die geplante Migranten-Quote: Thilo Sarrazin, noch immer Mitglied der SPD.

(Foto: dapd)

Daraus wurde dann nichts. In der SPD wird Sarrazin entweder gehasst oder vergöttert. Die Sarrazin-Hasser haben Nahles schon zum Rücktritt aufgefordert. Die Sarrazin-Jünger sehen im Ende des Schiedsverfahrens einen Sieg auf ganzer Linie.

Und Sarrazin? Der verhöhnt seine Partei, wo er kann. Jetzt auch in Waltrop, einem 30.000-Einwohner-Ort am nördlichen Rand des Ruhrgebietes. Dort war er am Dienstag zu einer Lesung aus seinem umstrittenen Machwerk Deutschland schafft sich ab eingeladen.

Wer einmal dabei war, wenn Sarrazin aus seinem Buch zitiert, der weiß: Das sind nicht einfach nur Lesungen. Da werden Messen gehalten für diesen knorrig-kauzigen ehemaligen Bundesbanker und Berliner Finanzsenator.

Es ist sein erster öffentlicher Auftritt nach dem Ende des Schiedsverfahrens. Wer gehofft hatte, Sarrazin würde jetzt mit etwas mehr Demut, etwas mehr Zurückhaltung agieren, der darf sich vollständig enttäuscht sehen.

Nicht allein, dass er die in der SPD diskutierte Quote für Migranten kritisiert ("Der Verstand kommt oder geht ja nicht damit, dass man Migrant ist").

Demütigung der SPD-Spitze

Er faselt einfach weiter über genetisch bedingte Intelligenz, als hätte es den Gründonnerstag nie gegeben. Wer die Erblichkeit von Intelligenz leugne, krakeelt er in Waltrop, sei "strohdumm oder auf kriminelle Weise denkfaul". Als wenn das nicht reichen würde, demütigt er die gesamte SPD-Spitze mit der Feststellung, er habe von den Aussagen in seinem Buch kein Wort zurückgenommen.

Darin hatte er bestimmte ethnische Gruppen in Deutschland als erblich besonders dumm klassifiziert. Und wenn die sich weiter so rasant vermehrten wie bisher, würden die ach so intelligenten Deutschen alsbald in der Minderheit sein.

Gabriels Fehler

Die Parteiführung, die die Einleitung des Rauswurfverfahrens im August einstimmig bei einer Enthaltung gebilligt hatte, steht jetzt macht-, fassungslos und durchnässt wie ein begossener Pudel da. Die Operation Sarrazin ist auf ganzer Linie gescheitert.

Pk Gabriel und Nahles

Sie stehen düpiert da: SPD-Chef Sigmar Gabriel und seine Generalsekretärin Andrea Nahles.

(Foto: dpa)

Beinahe tragisch, dass dieses Scheitern jetzt ausgerechnet mit Andrea Nahles verbunden wird. Sie hatte von Beginn an vor einem Ausschlussverfahren gewarnt. Es war Parteichef Sigmar Gabriel, der dafür nach anfänglichem Zögern grünes Licht gegeben hat. Viel zu spät hat er erkannt, dass es so oder so für einen Rauswurf Sarrazins nicht reichen würde. Nahles hat nichts anderes versucht, als ihrem ungeliebten Chef die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Immerhin, es gab eine kleine Hoffnung, dass Sarrazin zur Vernunft gekommen sein könnte. Ein Trugschluss. Bis zum Gründonnerstag hat sich Sarrazin kaum noch öffentlich zu Wort gemeldet. Aber er war einfach nur vorsichtig, wollte seine SPD-Mitgliedschaft nicht mit unbedachten Äußerungen aus Spiel setzen. Die braucht er nämlich, um seine kruden Thesen unters Volk bringen zu können. Es ist ja genau diese Mischung, die ihn für die Menschen so interessant macht: Ein prominentes SPD-Mitglied, das mal ganz ehrlich nichts gegen Ausländer hat, aber ...

Die Wirkung des Parteibuchs

Ohne Parteibuch hätte er wahrscheinlich das gleiche Schicksal erlitten wie weiland ein gewisser Wolfgang Clement. Der frühere Superwirtschaftsminister der Schröder-Regierung und NRW-Ministerpräsident war zuletzt auch nur noch mit Stänkereien gegen die eigene Partei aufgefallen. Einem Rauswurf kam er durch Austritt zuvor. Seitdem will keiner mehr etwas von ihm wissen.

Die SPD wird Sarrazin jetzt nicht mehr so schnell los. Ein drittes Ausschlussverfahren wird es nicht geben - zumal die SPD-Anhänger mehrheitlich mit Sarrazins Thesen sympathisieren. Das mag der SPD-Spitze peinlich sein, aber auch sie kann sich ihre Mitglieder nicht aussuchen. In einer aktuellen Umfrage für das Magazin Stern begrüßen 49 Prozent der SPD-Wähler den Verbleib Sarrazins in der Partei - unter allen Befragten sind es sogar 54 Prozent.

Die Sozialdemokraten können nur hoffen, dass der Hype um Sarrazin schnell wieder abebbt. Wahrscheinlich ist das nicht. Der 66-Jährige wird immer wieder Gelegenheit finden, sich über Migranten so zu äußern, dass einem der Kamm schwillt. Statt ihn totzuschweigen, ihn zu ignorieren, hat die SPD-Führung ihn nur noch stärker gemacht. Der Dank dafür geht an Sigmar Gabriel.

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