Sarkozy und Hollande vor TV-Duell:Attacke bei exakt 20,5 Grad

Dramaturgischer Höhepunkt einer brutalen Präsidentschaftskampagne: Das TV-Duell gegen Hollande ist Sarkozys letzte Chance, den Vorsprung des Herausforderers vor der Stichwahl einzuholen. Doch selbst ein Punktsieg beim Duell dürfte den Präsidenten nicht mehr in Front bringen. Er muss auf einen K.-o.-Schlag setzen.

Stefan Ulrich, Paris

Bevor sich in den alten Zeiten Ritter, Offiziere und andere Ehrenmänner duellierten, handelten ihre Sekundanten die Bedingungen aus. Ort, Zeit, Wahl der Waffen, Regeln, Schiedsrichter - alles wurde genau festgelegt. Nicht anders geht es im modernen französischen Wahlkampf zu. Seit Wochen bereiten die Teams von Nicolas Sarkozy und François Hollande das TV-Duell vor, das sich die Spitzenkandidaten an diesem Mittwochabend vor mehr als 20 Millionen Zuschauern liefern werden. Es ist der dramaturgische Höhepunkt einer langen, harten und manchmal brutalen Präsidentschaftskampagne.

Am Dienstagvormittag kamen die Unterhändler des amtierenden Präsidenten und seines sozialistischen Herausforderers letztmals zusammen, um im ausgewählten Fernsehstudio die Details zu überprüfen. Wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren ist, soll der Saal betont nüchtern eingerichtet sein, mit einem Bild des Élysée-Palastes im Hintergrund. Ein 250 Zentimeter langer Glastisch wird die Kontrahenten trennen. Die Raumtemperatur muss exakt 20,5 Grad betragen.

Petitessen? Von wegen. François Mitterrand bestand einst darauf, der Studiotisch müsse die Breite seines Arbeitsplatzes im Élysée haben - er wollte sich in seinem Element fühlen. Nicolas Sarkozy, der zum Schwitzen neigt, forderte vor fünf Jahren eine Studiotemperatur von 19 Grad. Seine damalige Widersacherin Ségolène Royal wünschte es deutlich wärmer. Man einigte sich auf 20,5 Grad, und dabei soll es nun bleiben.

Trotz dieses moderaten Raumklimas dürfte es am Mittwoch hitzig zugehen. Die Franzosen erwarten eher einen Boxkampf als ein Florett-Gefecht. In den vergangenen Tagen hat Sarkozy in den Meinungsumfragen zur Stichwahl am kommenden Sonntag etwas aufgeholt. Die für ihn günstigste Erhebung sieht ihn aber immer noch sechs Prozent hinter Hollande. Selbst ein Punktsieg beim TV-Duell dürfte den Präsidenten nicht mehr in Front bringen. Er muss daher auf einen K.-o.-Schlag setzen. Dem Niveau der Debatte wird das kaum guttun.

Damit passt dieses Fernseh-Duell zu einem Wahlkampf, der von besonderer Hektik und allerlei Tiefschlägen gekennzeichnet war. Sarkozy konnte als erster Präsident der Fünften Republik nicht von einem Amtsbonus profitieren, was wohl an seinem Charakter wie an seiner schlechten Wirtschaftsbilanz lag. Er musste aufholen, attackieren, während sich Hollande damit begnügen konnte, seinen Vorsprung zu verteidigen.

Erst höflich, dann frech

Keinem der beiden Kandidaten gelang es, den Bürgern ein klares Konzept zu vermitteln, wie sie Frankreich aus der Krise führen und Europa gestalten möchten. Sarkozy versuchte, von seiner tristen Bilanz abzulenken, indem er Themen wie Halal-Fleisch und die glorreiche Historie des Landes in den Vordergrund rückte. Hollande wiederum drückte sich oft um präzise Auskünfte über sein Regierungsprogramm herum, weil er genau weiß, dass er angesichts der Schuldenkrise die Erwartungen seiner linken Wähler enttäuschen muss.

Electoral documents for the second round vote of the French presidential election are displayed on a table in Marseille

Das TV-Duell am Mittwochabend ist der vorläufige Höhepunkt des französischen Präsidentschaftswahlkampfs. Für Sarkozy könnte es die letzte Chance sein, seine Wiederwahl zu sichern.

(Foto: REUTERS)

Zudem wurde die Kampagne in den vergangenen Tagen von Beleidigungen und Affären überschattet. Ein Abgeordneter von Sarkozys UMP-Partei verglich Hollandes Lebensgefährtin Valérie Trierweiler mit einem Rottweiler. Die linke Zeitung Humanité setzte Sarkozy mit dem verhassten Vichy-Autokraten Philippe Pétain gleich. Die ebenfalls linke Internetzeitung Mediapart behauptete, der frühere libysche Diktator Muammar al-Gaddafi habe Sarkozy einst eine Wahlkampfhilfe von 50 Millionen Euro versprochen. Das Lager des Präsidenten weidete sich dafür an einem Auftritt des tief gestürzten Spitzen-Sozialisten Dominique Strauss-Kahn.

Der in diverse Sex-Skandale verwickelte Strauss-Kahn tauchte am Wochenende bei einer Geburtstagsfeier in einer Bar an der Pariser Rue Saint Denis auf, einer stadtbekannten Rotlicht-Meile. Zu dem Fest waren auch wichtige Parteigänger Hollandes geladen, darunter dessen frühere Lebensgefährtin Royal. Zwar verließ Royal samt ihrer Tochter fluchtartig den Saal, als Strauss-Kahn erschien. Sarkozys Anhänger ließen es sich aber nicht nehmen, die Moral der Sozialisten genüsslich in Frage zu stellen. Die Strauss-Kahn-Affäre rückte so wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Hollande muss damit rechnen, dass ihn Sarkozy im Fernsehen damit konfrontiert.

Das TV-Duell zwischen erstem und zweitem Präsidentschaftswahlgang gehört zu den Ritualen der Republik. Erstmals wurde es 1974 zwischen Valéry Giscard d'Estaing und Mitterrand ausgetragen. Giscard hielt dabei dem selbstgerecht wirkenden Sozialisten vor: "Sie sind nicht der Einzige, der ein Herz hat, Monsieur Mitterrand." Dieser Treffer soll den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Giscard die Wahl knapp gewann.

Sarkozy und Hollande befehden sich nun erstmals in der Rolle der Präsidentschaftskandidaten. Als Parteipolitiker traten sie schon mehrfach gegeneinander an. So duellierten sie sich vor der Europawahl 1999 im Fernsehen, Sarkozy als Spitzenmann der gaullistischen RPR, Hollande als Chef der Sozialisten. Schon damals stritten sie über die EU. Der Sozialist forderte ein "soziales Europa", und warf dem Gaullisten vor, sich dafür nicht zu interessieren. Sarkozy erwiderte, mit Hollande laufe es immer gleich. Erst sei er höflich, dann werde er frech. Hollande konterte: "Sie sind weder zu Beginn noch am Ende höflich." Beobachter werteten die bisherigen Zweikämpfe der beiden als unentschieden. Ein Patt würde diesmal wohl nur Hollande nutzen. Sarkozy muss daher tun, was er am besten kann - attackieren. Die Franzosen dürfen sich nicht unbedingt auf eine qualitätsvolle, aber auf eine spannende Debatte freuen.

Sie liebten schon immer Duelle. In der Vergangenheit erstachen und erschossen sich dabei Tausende Ehrenmänner. So blutig wird es diesmal nicht werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: