Sarkozy: Skandale und Affären:Der gebrochene Sonnenkönig

Zigarren- und Privatjetskandale, Vorwürfe wegen illegaler Wahlkampffinanzierung - Nicolas Sarkozy wollte Frankreich läutern, jetzt scheitert er auch am eigenen Charakter. Der Antreiber ist zum Getriebenen geworden.

Stefan Ulrich

Wahrscheinlich hat er den Ur-Fehler in der Stunde des Triumphes begangen. An einem Mai-Abend des Jahres 2007 feierte Nicolas Sarkozy seinen Sieg in der Präsidentschaftswahl im Glamour-Restaurant "Fouquet's" auf den Champs-Élysées. Während er sich unter einer goldfarbenen Kuppel von Politikern, Industriellen und Showstars hofieren ließ, blieb die Masse seiner Anhänger vor der Tür. Bei den Franzosen entstand der Eindruck, einen neumächtigen Parvenü zum Staatschef erkoren zu haben. Vom "Président Bling-Bling" war die Rede. Das Etikett blieb haften. Wenn Sarkozy nun in einen Strudel von Affären gerissen wird, so ist das die Tragödie eines Mannes, der Frankreich läutern wollte und dabei auch am eigenen Charakter scheitert.

"Ich möchte, dass ihr totales Vertrauen in eure Gewählten und in eure Demokratie habt, denn dies ist die Stärke der großen Nationen", beteuerte Sarkozy vor seiner Wahl. Drei Jahre später sagen zwei Drittel der Bürger in Umfragen, sie hätten kein Vertrauen in den Präsidenten und hielten die Politiker für "eher korrupt". "La Rupture", der Bruch mit der Cliquen- und Privilegienwirtschaft der Fünften Republik, den der Präsident versprach, wurde nie vollzogen. Stattdessen treten nun Regierungsmitglieder wegen Zigarren- und Privatjet-Skandalen zurück. Sarkozy selbst muss sich gegen - bislang unbewiesene - Vorwürfe verteidigen, er habe seinen Wahlkampf illegal von der Multi-Milliardärin Liliane Bettencourt finanzieren lassen. Der Antreiber ist zum Getriebenen geworden.

Das ist traurig für Sarkozy und schade für Frankreich. Das Land hätte einen beherzten Reformer gebraucht, der die elitenverliebte Republik in einen modernen Bürgerstaat verwandelt. Bislang ist der Präsident die Wende weitgehend schuldig geblieben. Er selbst wird sich fragen: Warum? Die erste Antwort liegt in seinem Wesen. Sarkozy predigte altrömische Tugenden wie Transparenz, Bescheidenheit und Gemeinsinn. Doch er benahm sich wie eine Hybridgestalt aus Sonnenkönig und Johnny Hallyday. Der Präsident mischte sich in alles ein - von den Werbezeiten im Fernsehen bis zur Säuberung der Fußball-Nationalmannschaft. Und er gab den Franzosen zu verstehen: Der Staat bin ich. Zugleich bediente er die Klatschmedien beim Urlaub auf der Yacht oder beim Kuscheln mit Carla Bruni. Zwar gab er sich zuletzt widerwillig ein nüchterneres Image, aber das nahm ihm keiner mehr ab.

Die zweite Antwort lautet: Sarkozy wollte zu viel. Statt sich auf die wichtigsten Themen wie eine Renten- und Verfassungsreform zu konzentrieren, versuchte er zugleich, Schulen und Medien, die Justiz, das Steuersystem und den Arbeitsmarkt umzukrempeln, von Europa und der Weltwirtschaft ganz zu schweigen. So viele Aufgaben überforderten selbst Herkules Sarkozy. Nun muss er sich beschränken, verzichten, und das lässt ihn schwächer aussehen als er ist.

Sarkozy, der Oligarch

Für die dritte Ursache der Misserfolge kann der Präsident wenig. Die Finanz- und Wirtschaftskrise schränkt ihn ebenso ein wie seine Kollegen in anderen Hauptstädten. Angesichts der hohen Erwartungen, die Sarkozy weckte, ist die Enttäuschung der Franzosen aber größer als die der Deutschen, die von Anfang an keine Wunder von ihrer schwarz-gelben Koalition erhofft hatten.

Sarkozy nahm angeblich Schwarzgeld von Bettencourt

Die Franzosen vertrauen ihrem Präsidenten Nicolas Sarkozy nicht mehr. Weil er als neumächtiger Parvenü auftritt, anstatt Reformen durchzusetzen.

(Foto: dpa)

Die vierte Antwort gründet im Wesen dieser Republik. Frankreich ist weit davon entfernt, seinen Gleichheitsanspruch einzulösen. Gute Beziehungen, wie sie Sarkozy seit seiner Zeit als Bürgermeister des Prominentenstädtchens Neuilly pflegt, sind ebenso wichtig wie gute Leistung. Zudem wird schon in der Schule eine Elite herangezogen, die sich früh als auserwählt begreift, dann fest miteinander vernetzt und alle anderen ausschließt. Sarkozy, der Immigrantensohn, hätte ein Gegenbeispiel sein können. Doch auch er machte sich gern, ja begierig, zum Teil dieser Oligarchie.

Wie selbstverständlich die Elite ihre Privilegien nimmt, zeigen die Affären dieser Tage. Als Beispiel mag ein Minister dienen. Éric Woerth ist zielstrebig, sachlich, fleißig, bescheiden - ein Mann, wie ihn sich jeder Regierungschef nur wünschen kann. Doch nun erfuhren die Franzosen, dass Woerth als Finanzminister für die Besteuerung von Madame Bettencourt verantwortlich war, während er als Schatzmeister der Regierungspartei Spenden von ihr erhielt. Woerths Ehefrau kümmerte sich um die Vermögensverwaltung der Milliardärin. Selbstverständlich ist bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, dass alles korrekt zuging. Nur: Warum setzt sich Woerth einem solchen Interessenkonflikt aus? Vielleicht, weil er einer Elite angehört, die sich kaum in Frage stellt.

Noch hat Sarkozy Zeit, Konsequenzen zu ziehen. Er könnte sein Kabinett, wie versprochen, zu einem schlagkräftigen Team verkleinern. Er könnte den Franzosen eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede halten. Darin müsste er erklären, welche Reformen er durchsetzen wird. Und er könnte im Namen seiner Regierung versprechen, den Dienst-Zigarren, Privatjets, zweifelhaften Spenden und dem ganzen Bling-Bling zu entsagen. Nur wenn Sarkozy aus der politischen Elite, dem Adel der Republik, Staatsdiener macht, werden die Franzosen sein Fest im "Fouquet's" vergessen.

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