Sarkozy fordert TV-Duelle:"Jetzt geht es darum, vor den Franzosen zu kämpfen"

Nicolas Sarkozy fährt schweres Geschütz auf: Nach der Niederlage im ersten Wahlgang verschärft er den Ton gegenüber seinem sozialistischen Rivalen François Hollande. In gleich drei TV-Duellen will er antreten, um das Ruder noch herumzureißen. Hollande sieht dafür wenig Anlass.

Michael Kläsgen, Paris

Es war einer dieser Leisetreter-Sätze von François Hollande. Eben hatte an diesem Montagmorgen die Strategiesitzung seines Wahlkampfteams in der Parteizentrale in Paris geendet, da warnte der Präsidentschaftskandidat der Sozialisten vor allzu großer Euphorie. "Ja, ich bin zuversichtlich für den zweiten Wahlgang, aber am Ende ist es an den Franzosen, über ihr Schicksal zu entscheiden", hauchte Hollande sichtlich übermüdet in die Mikrofone. In der Nacht war er aus Tulle gekommen, seiner politischen Heimat, wo er den Tag des ersten Wahlgangs verbracht hatte. Jetzt war er schon wieder auf dem Sprung in die Bretagne, nach Quimper und Lorient, zwei Hochburgen der Sozialisten. Der Wahlkampf ging für ihn weiter, ehe das offizielle Endergebnis des ersten Wahlgangs feststand.

Nichts käme dem Favoriten zwei Wochen vor der Stichwahl ungelegener als überschäumende Siegesgewissheit. Anlass dazu gäbe es freilich: Für die Sozialisten tut sich plötzlich eine Machtperspektive auf, von der sie jahrelang nur träumen durften. Der vergleichsweise knappe Vorsprung von Hollande vor Nicolas Sarkozy lässt das auf den ersten Blick nicht erkennen. Tatsächlich aber luchste Hollande dem Amtsinhaber 35 von insgesamt 101 Départements ab.

Erstmals nach dem Krieg stimmte die Hauptstadt Paris bei einer Präsidentschaftswahl mehrheitlich für einen sozialistischen Kandidaten. Überhaupt räumte Hollande in allen Großstädten ab: von Marseille über Lille bis nach Toulouse und Rennes. Auch für die Parlamentswahlen im Juni prophezeien alle Prognosen einen Sieg der Linken. Im vergangenen Jahr hatten die Sozialisten die zweite Kammer, den Senat, erobert - nach einer jahrzehntelang währenden Vorherrschaft der bürgerlichen Rechten. Die Gemeinden und Regionen werden seit 2010 bereits mehrheitlich links regiert. Kurzum: Alle Zeichen stehen auf Rot.

Sieg Hollandes noch lange nicht sicher

Weshalb dann diese Zurückhaltung? Wegen einer simplen Rechnung, die sofort alle Demoskopen anstellten. Rechnet man die Stimmen des linken und des rechten Lagers zusammen, schmilzt der Vorsprung des Sozialisten zusammen. Für Hollande wäre es komfortabler gewesen, wenn der Kandidat der Links-Partei, Jean-Luc Mélenchon, ein besseres Ergebnis erzielt hätte, so wie es die Umfragen vorausgesagt hatten.

Seine 11,1 Prozent sind zweischneidig für Hollande. Einerseits kann er froh sein, nicht allzu viel Tribut an die Linke zahlen zu müssen. Andererseits könnte die Schwäche Mélenchons seinen Sieg in zwei Wochen gefährden. Der Links-Kandidat rief zwar noch am Sonntagabend indirekt zur Wahl Hollandes auf. Aber der Sozialist muss die Anhänger der Linken erst noch mobilisieren, damit sie tatsächlich für einen moderateren linken Kurs stimmen.

Der Unterstützung der Grünen darf er sich hingegen sicher sein. Deren Stimmenanteil ist aber so gering, dass er beim zweiten Wahlgang am 6. Mai kaum ins Gewicht fällt. Es könnte also knapp werden. Hollande reichte deswegen bereits am Sonntagabend den Wählern der Rechtsextremen die Hand, wenn auch recht verklausuliert. Meinungsforscher erwarten, dass jeder fünfte Front-National-Wähler zu den Sozialisten wechseln könnte.

"Projekt gegen Projekt, Persönlichkeit gegen Persönlichkeit"

Mehrheitlich gehört diese Klientel freilich zum Jagdrevier von Sarkozy, der sofort nach dem durchwachsenen Ergebnis in die Offensive ging. Dabei zeichnete sich eine Doppelstrategie ab: Zum einen will er die extrem Rechte umgarnen, mit Appellen an die Volksseele und die Liebe zum Vaterland - und dabei demonstrieren, dass nur er der Garant zum Schutz vor den Verwerfungen der Globalisierung ist. Zum anderen gehört zu dieser Strategie, ebenso wichtig, Hollande zu demontieren.

Nicolas Sarkozy

Erstmals in der Fünften Republik geht der Amtsinhaber mit der schlechteren Prozentzahl aus der ersten Runde - aber das könnte der Kämpfernatur Sarkozy auch entgegenkommen.

(Foto: AP)

Bereits am Montag schlug Sarkozy einen deutlich schärferen Ton gegenüber seinem politischen Gegner an. Seine Attacken saßen zielgenauer. Es ging um die drei Fernsehduelle, die Sarkozy bis zur Stichwahl mit Hollande austragen will, die der Sozialist aber postwendend ablehnte, mit dem Hinweis, es sei eh und je Tradition, nur ein TV-Duell auszutragen. Da giftete Sarkozy: "Ich habe dafür keinerlei Verständnis. Warum flieht Herr Hollande vor der Auseinandersetzung? Er darf das nicht. Jetzt geht es darum, vor den Franzosen zu kämpfen - Projekt gegen Projekt, Persönlichkeit gegen Persönlichkeit, Erfahrung gegen Erfahrung." Sarkozy sah abgekämpft aus, als er seine Giftpfeile abschoss. Er verließ gerade ein Wahlkampfbüro in Paris und lächelte, aber es fiel ihm schwer.

Auch Sarkozy gönnte sich keine Verschnaufpause, sondern begab sich auf Wahlkampftour an die Loire. Aufdrehen will er vor allem in der kommenden Woche. Dann steht mindestens eine Fernsehdebatte mit Hollande an, voraussichtlich am 2. Mai. Darüber hinaus organisiert sein Team eine große Veranstaltung mit Tausenden Anhängern am 1. Mai auf dem Marsfeld vor dem Eiffelturm. Der Termin wurde kurzfristig entschieden, aber mit Bedacht gewählt.

Sarkozys Entourage knöpft sich Hollande vor

Es ist nicht nur der Tag der Arbeit, sondern auch das Datum, an dem die Rechtsextremen traditionell ihren Aufmarsch in Paris abhalten und der Landesheroin Jeanne d'Arc huldigen. Sarkozy hat offenkundig eine Botschaft für sie parat. Sein Wahlkampfteam gab die Losung bereits aus: Sarkozy wolle klar unterscheiden zwischen denen, die hart arbeiten und denjenigen, die sich nur alimentieren lassen.

Seine Entourage knöpfte sich Hollande vor. Am weitesten wagte sich Sarkozys "Spezialberater" und Redenschreiber Henri Guaino vor. Wenn Hollande gewählt werde, könnte "alles in einer Katastrophe enden", orakelte er und fügte hinzu: "Das Risiko ist enorm, wieder den Weg der dreißiger Jahre einzuschlagen, mit einer weltweiten Wirtschaftskrise, die zu einer sozialen und politischen Krise weltweit wird."

Es sieht so aus, als würde in den verbleibenden zwei Wochen schweres Geschütz aufgefahren. Das wäre einer ungewöhnlichen Situation geschuldet: Erstmals in der Fünften Republik geht der Amtsinhaber mit der schlechteren Prozentzahl aus der ersten Runde - aber das könnte der Kämpfernatur Sarkozy auch entgegenkommen.

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