Sanktionen:Sieben dreckige Jahre, mindestens

Wem soll man die Zumutungen ersparen, der Autobranche oder den Städten?

Von Michael Bauchmüller und Markus Balser

Rein rechtlich ist die Lage erdrückend. Im Februar machte das Bundesverwaltungsgericht im Leipzig den Weg frei für Fahrverbote, vor zwei Wochen reichte die EU-Kommission Klage gegen die Bundesrepublik ein. Deutschland habe zu wenig getan, um die europäischen Grenzwerte für Stickoxide einzuhalten. Zwischen den Zeilen hatten auch die Leipziger Richter ihr Unverständnis deutlich gemacht. Schließlich könnte der Bund ohne große Probleme eine neue Plakette einführen, die sodann sauberen Diesel-Autos vorbehalten wäre. Doch genau das will die große Koalition vermeiden.

Stattdessen hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze ("Ich bin keine Freundin von Fahrverboten") die Hardware-Nachrüstung für sich entdeckt. "Es liegt nun an der Autobranche", sagt die SPD-Frau. Denkbar sei eine Art Stufenplan, mit dem zunächst die Autos in belasteten Städten nachgerüstet werden könnten. Dort würden ältere Diesel dann so umgebaut, dass sie weniger Stickstoffdioxid ausstoßen. Zahlen soll das die Industrie.

Der Vorschlag hat nur einen Haken. Schulze steht allein damit. Die Autoindustrie hält gar nichts von der teuren Nachrüstung, und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sind skeptisch. Die Union hofft, dass sich das Problem in den nächsten Jahren quasi von alleine löst: Wenn alle Software-Updates gemacht sind, die Förderprogramme etwa für Elektrobusse und Lkw laufen und immer mehr alte Diesel durch neue ersetzt werden, würden in vielen Städten die Grenzwerte wieder unterschritten. Vor zwei Jahren waren es noch 90 Städte, in denen Abgasgrenzwerte gerissen wurden. Heute sind es noch 70. Und in wenigen Jahren würden die meisten Städte ihre Grenzwerte durch den Wandel auf der Straße einhalten, sagt Scheuer. Nur in "Intensivstädten" wie München, Stuttgart oder Köln werde es noch Probleme geben. Wenn sie innerhalb des Kabinetts für den Nachrüstplan keine Unterstützung erfahre, so räumt Schulze ein, "wird das vermutlich nichts". Wohl wahr. Und dann? "Man wird den Eindruck nicht los, dass die Regierung auf Zeit spielt", sagt Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. "Das aber reicht nicht mehr." Hamburg zeige doch nur, "in welcher Zwickmühle die Städte sind". Denn mit mehr Radwegen, besserer Verkehrssteuerung oder Tempolimits allein lasse sich die Luft nicht verbessern. Auch der Städtetag, lange ein Anhänger blauer Plaketten, verlangt nun die verpflichtende Nachrüstung älterer Fahrzeuge. Auch er will die Autoindustrie dafür zahlen lassen. Schließlich konnten die Käufer der Dieselautos nicht ahnen, dass ihre Autos die Luft verpesten - und zwar viel mehr, als von den Herstellern angegeben.

Umweltschützer werfen der Politik vor, die Bürger mit dem Problem allein zu lassen. "Der Bundesregierung sind die Dividenden und Gewinne der Autokonzerne wichtiger als die Gesundheit der Bürger", sagt der Leiter des Bereichs Verkehrspolitik des Naturschutzbunds (Nabu), Dietmar Oeliger. Der Wandel in der Flotte schreite langsam voran und verbessere die Luft erst in etwa sieben Jahren spürbar. Ohne Nachrüstungen würden viele Deutsche weiter gefährlich hohen Belastungen ausgesetzt. "Uns fehlt die Fantasie, wie ohne Nachrüstungen weitere Fahrverbote in weiteren Städten verhindert werden sollen", warnt auch der Chef der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch.

In fünf Modellstädten wollte der Bund eigentlich zeigen, was auf die Schnelle in deutschen Städten mit Kreativität und Förderungen möglich ist. Die Städte sollten Ideen sammeln, konkrete Vorschläge einreichen. Das haben sie getan - fehlt nur das grüne Licht. "Der Ball liegt jetzt beim Bund", heißt es in Bonn, einer der Modellstädte. Andere Kommunen warten auf die Bewilligung von Förderanträgen, um Geld aus dem eine Milliarde Euro schweren Dieselfonds zu bekommen. Aber selbst dieses Programm werde erst von 2020 an wirken, räumte jüngst der Beauftragte der Bundesregierung ein, Siegfried Balleis. Er verwaltet die Fördermittel. In besonders stark belasteten Städten werde es auf die Schnelle "keine durchschlagenden Erfolge" geben.

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