Votum im Sicherheitsrat:UN wollen Nato-Einsatz in Libyen beenden

Der Nato-Einsatz in Libyen soll in wenigen Tagen zu Ende gehen: Dies hat der UN-Sicherheitsrat beschlossen - die Nato wird dies wohl morgen bestätigen. Nato-Generalsekretär Rasmussen würdigt die Libyen-Mission als "großen Erfolg". Die neue libysche Führung will Gaddafis Todesschützen vor Gericht stellen. Doch wer das sein soll, ist noch immer unklar.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat einstimmig für das Ende des Nato-Einsatzes in Libyen gestimmt. Nach dem Votum des UN-Gremiums endet das Mandat zum Schutz der libyschen Zivilbevölkerung am 31. Oktober um 23.59 Uhr Ortszeit, gleichzeitig wird die Flugverbotszone über Libyen aufgehoben.

Der Nordatlantikrat der Nato will am Freitag über das Ende der Mission abstimmen. Auch hier zeichnet sich ein entsprechender Beschluss ab: Die Nato werde am Freitag ihren früheren Beschluss für ein Ende des Einsatzes zum 31. Oktober bestätigen, kündigte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin an. Er gehe nicht davon aus, dass die Nato im Nachgang des Krieges eine größere Rolle in Libyen spielen werde. Das Bündnis sei aber bereit, das Land beim Übergang in die Demokratie zu unterstützen, falls die Führung in Tripolis dies wünsche.

Libyens Vizebotschafter bei den Vereinten Nationen, Ibrahim Dabbaschi, hatte noch am Mittwoch vor einem schnellen Ende des Nato-Einsatzes gewarnt: "Heben Sie die Resolution nicht zu früh auf." Sein Land sei riesig und die libysche Luftwaffe kaum handlungsfähig. Allein könne das Land seinen Luftraum noch nicht verteidigen.

Nato-Generalsekretär Rasmussen hingegen ist zuversichtlich: Die Libyer könnten nach dem Ende des Gaddafi-Regimes die Zukunft ihres Landes jetzt "in Sicherheit" in die eigenen Hände nehmen. Rasmussen würdigte den nach sieben Monaten zu Ende gehenden Libyen-Einsatz als "großen Erfolg": "Das war wohl einer der erfolgreichsten Missionen in der Geschichte der Nato."

Der UN-Sicherheitsrat hatte den Militäreinsatz im März gebilligt. Hintergrund war das brutale Vorgehen des mittlerweile getöteten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi gegen die Protestbewegung. Die Luftunterstützung durch die Nato spielte eine Schlüsselrolle beim Sieg der Rebellen gegen die Gaddafi-treuen Truppen. Die Resolution lockert auch das Waffenembargo gegen Libyen und beendet weitestgehend die Sanktionen gegen die staatliche Ölfirma, die Zentralbank und weitere Institutionen des Landes.

Zugleich drückt das mächtigste UN-Gremium in der Resolution "tiefe Sorge" über Menschenrechtsverletzungen durch die neuen Machthaber aus. Es gebe "anhaltende Berichte über Repressalien, willkürliche Festnahmen, unrechtmäßige Verhaftungen und Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren". Zudem wächst die Befürchtung, dass Waffen in die falschen Hände geraten.

Verantwortliche für Gaddafis Tod sollen vor Gericht

Eine Woche nach dem Tod Gaddafis kündigte der libysche Übergangsrat an, den oder die Schützen vor Gericht stellen zu wollen, die Gaddafi getötet haben sollen. Das sagte der stellvertretende Vorsitzende des Rates, Abdelhafis Ghoga, am Donnerstag vor der Presse in Bengasi. Doch wer das sein soll, ist noch immer unklar. Gumaa al-Gamati, ein Sprecher des Rates in London, betonte denn auch in einem Interview des Nachrichtensenders Al-Arabija, erst müsse festgestellt werden, ob Gaddafi wirklich nach seiner Gefangennahme aus nächster Nähe exekutiert worden sei, oder ob er in einer Gefechtssituation gestorben sei.

Die Umstände des Todes sind noch immer unklar: Bei seiner Gefangennahme war Gaddafi am Leben. Im Internet kursierten Videos, auf dem er von einem Wagen gezerrt und auf den Boden gedrückt wird. Weitere Bilder zeigen den leblosen Körper Gaddafis - mit blutverschmiertem Gesicht, sein Kopf weist eine Schusswunde auf.

Der Übergangsrat hatte erklärt, Gaddafi sei ins Kreuzfeuer zwischen seinen Getreuen und Kämpfern der Regierung geraten. Auf internationalen Druck hin sagte die neue libysche Führung zu, die Todesumstände untersuchen zu lassen. Am Wochenende hatte ein Arzt in Misrata eine Obduktion der Leiche Gaddafis durchgeführt. Allerdings sind die Ergebnisse noch nicht öffentlich.

Gaddafi-Sohn fordert Flugzeug für Reise nach Den Haag

Derweil ist wohl die Flucht von Gaddafis Lieblingssohn Saif al-Islam bald zu Ende: Womöglich hat dieser Libyen nie verlassen. In Kreisen der neuen libyschen Regierung heißt es, er halte sich bei einem einflussreichen Vertreter der Tuareg versteckt. Saif al-Islam hatte wie auch sein Vater das in der Wüste lebende Nomadenvolk unterstützt.

Allerdings fürchte der 39-Jährige inzwischen um sein Leben. "Saif ist um seine Sicherheit besorgt", sagte ein Regierungsvertreter. "Er glaubt, dass es für ihn am besten ist, wenn er sich stellt." Womöglich hat seine Flucht also bald ein Ende.

Aber für seine Reise nach Den Haag hat Saif al-Islam Bedingungen: Unter anderem fordert er ein Flugzeug. Zudem will er, dass bei seiner Überstellung an den Strafgerichtshof auch ein drittes Land beteiligt ist - möglicherweise Algerien oder Tunesien. "Er will, dass ihm ein Flugzeug geschickt wird. Er will Sicherheiten."

Saif al-Islam wird von Den Haag mit internationalem Haftbefehl gesucht, ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Ebenso wie sein Vater sei er verantwortlich für Morde an Hunderten Zivilisten, Folter, militärische Gewalt gegen Zivilisten und die Organisierung von Massenvergewaltigungen zur Einschüchterung der Bevölkerung.

Im Juni erklärte Chefankläger Luis Moreno Ocampo, Gaddafi, sein Sohn und Geheimdienstchef Senussi seien im strafrechtlichen Sinne persönlich für die Verbrechen verantwortlich, die begangen worden seien, um den Volksaufstand in Libyen niederzuschlagen. Moreno Ocampo hatte dem Gericht eine mehr als 70 Seiten umfassende Anklage mit mehr als 1200 einzelnen Dokumenten vorgelegt.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag verfolgt Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der IStGH ist immer dann zuständig, wenn die Delikte nicht auf nationaler Ebene geahndet werden können.

Saif al-Islam ist der letzte der sieben Söhne Gaddafis, dessen Verbleib unklar ist. Er galt lange als Kronprinz des Jahrzehnte herrschenden Machthabers, ihm wurden Reformbemühungen zugetraut. Doch seine blutrünstigen Äußerungen während des Aufstandes machten diesen Eindruck zunichte.

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