Sächsische Schweiz:Rechter Spuk im Märchenland

Der Wahlerfolg der Radikalen in der Sächsischen Schweiz ist selbst in Sachsen etwas Besonderes: Im Ausflugsgebiet bei Dresden haben NPD und andere Extremisten bis zu einem Viertel der Stimmen geholt.

Wenige Kilometer östlich von Dresden ist die Kleinstadt Pirna das Tor zu einem Märchenland. Beiderseits der Elbe wölben sich die Berge der Sächsischen Schweiz zu rollenden Hügeln, gipfeln in bizarren Sandsteinformationen - wie geschaffen als Kulisse für eine Verfilmung von Schneewittchen. Der ausgedehnte Naturpark zieht mit seinen steilen Felsen Kletterer und Wanderer an.

Zwischen Pirna, Königstein und Bad Schandau setzen die Sachsen mit Erfolg auf Tourismus. Seit Sonntag aber kommen häufiger Besucher, die eine erschreckende Nachricht aus der Traumkulisse ergründen wollen: die hohen Gewinne der Rechtsradikalen bei den Kommunalwahlen.

Dabei sticht die Sächsische Schweiz nur besonders vor. Fast in ganz Sachsen konnten rechtsextreme Parteien spektakuläre Erfolge erzielen. In der Großstadt Chemnitz am Fuße des Erzgebirges kamen die Republikaner auf 10,3 Prozent, in der Landeshauptstadt Dresden schaffte ein rechtes Bündnis 4,2, in Riesa die NPD 8,8 Prozent. Aber die deutlichsten Zugewinne holten die Rechten in der Sächsischen Schweiz. In Königstein am Fuße der alten Festung erzielte die NPD 21,1 Prozent, in Reinhardtsdorf-Schöna am Zirkelstein - gleich an der Grenze zu Tschechien - 25 Prozent.

Erklären, was nicht zu erklären ist

Nun müssen die Bürgermeister, besorgt um das Image der Region, erklären, was nicht zu erklären ist. Ausländer gibt es hier kaum, doch es wäre ja auch eine abstruse Annahme, dass es für die Ressentiments überhaupt Ausländer braucht. In der 1600-Einwohner-Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna schwärmt der Bürgermeister vom bunten Leben, dem aktiven Fußballclub und dem Schifferverein. Nicht nur der Rathauschef ist überrascht, es sind auch die im Land regierenden Christdemokraten.

Doch so richtig überraschend ist das Ganze auch wieder nicht. Die Sächsische Schweiz gilt als Hochburg der Rechtsextremen. Die Justiz beschäftigte sich in langwierigen Verfahren mit den Strukturen der rechtsextremen Organisation "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS), deren so genannte Members in der Region fest verwurzelt sind. In drei Prozessen gegen Mitglieder der zeitweise nahezu militärisch organisierten Gruppe zeigten Ermittler auf, wie die jungen Männer Hegemonie ausüben und Ausländer und Linke bekämpfen wollen.

Mobile Beratungsteams

Auch über enge Bindungen zwischen der SSS und einzelnen NPD-Aktivisten ist berichtet worden. Trotz der Prozesse hat sich das Klima in der Jugendszene kaum verändert. "Das sind genau die Orte, wo wir zur Beratung gerufen werden", sagt Friedemann Bringt von der Projektleitung der "Mobilen Beratungsteams", die hier auch von lokalen Politikern gebeten werden, beim Aufbau von Gegenstrategien zu helfen. Die Sozialarbeiter werden durch ein Modellprogramm der Bundesregierung finanziert. Die Beratungsteams entstanden, nachdem der Kanzler 2001 zum "Aufstand der Anständigen" gegen den Rechtsextremismus aufrief.

Im kleinen Reinhardtsdorf-Schöna - dessen Bürgermeister mit den Beratern kooperiert - haben die Angriffe auf Gäste im Naturfreundehaus schon häufiger die Polizei auf den Plan gerufen. Der Jugendclub des Ortes galt als rechts dominiert und als Anlaufstelle der "Aufbauorganisation" der SSS. Dieser Club ist inzwischen geschlossen.

Rechter Spuk im Märchenland

Doch das rechte Gedankengut beschränkt sich, wie die Wahlerfolge zeigen, nicht auf die Jugend. In Reinhardtsdorf-Schöna sind die zwei bekanntesten NPD-Mitglieder angesehene Bürger, fest verwoben in der Dorfgemeinschaft, wie der von vielen geschätzte Klempnermeister. In seinem Schuppen wurden vor vier Jahren Sprengstoff und Waffen gefunden und Verbindungen zur SSS angenommen. In Königstein heimste der Fahrlehrer und NPD-Funktionär Uwe Leichsenring gut ein Fünftel der Stimmen ein. Er warb auf Plakaten mit seinem Vornamen. Viele Leute hätten bei ihm, so heißt es, nicht nur das Autofahren gelernt.

Nach dem landesweiten Erfolg der Rechtsextremen wird, wenn auch leise, in der regierenden CDU drei Monate vor der Landtagswahl diskutiert, wie es dazu kommen konnte. CDU-Generalsekretär Hermann Winkler will nun im Wahlkampf Themen wie die Innere Sicherheit stärker besetzen.

"Wir müssen zeigen, dass wir auf diesem Feld schon viel gemacht haben und längst einen harten Kurs fahren", sagt er - lehnt aber zugleich alle Ansinnen aus der Partei ab, sich vermehrt nationaler Rhetorik zu bedienen, um den rechten Rand aufzusaugen. Die Partei werde nicht um jeden Preis auf Stimmenfang gehen.

Ohnehin muss die Sachsen-Union auch auf andere Wählergruppen achten. Am Sonntag brach die CDU auch in den großen Städten ein. So verlor sie in Dresden bei der Kommunal- und der Europawahl 14 Prozent, während die Grünen mit 12,1 Prozent bei der Kommunal- und 14,3 bei der Europawahl ein Rekordergebnis erzielten. Bei der Landtagswahl am 19. September werde das Ergebnis anders sein, ist sich Winkler sicher. Denn da gehe es um die absolute Mehrheit der CDU-Regierung von Georg Milbradt. "Da", sagt er, "bin ich nicht bange."

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