Sachsen:Zweites Clausnitz-Video zeigt Polizeigewalt gegen Kind

Clausnitz

Der Junge weicht zurück, der Polizist greift gewaltsam zu.

(Foto: facebook.com/Frank Stollberg)
  • Ein zweites Video aus dem sächsischen Ort Clausnitz zeigt einen Polizisten, der einen Jungen gewaltsam in ein Gebäude schleift.
  • "Die Bilder sprechen ihre Sprache", sagt Innenminister Marcus Ulbig.

Von Christoph Meyer

Eine von Protesten begleitete Ankunft von Flüchtlingen in einem Ort in Sachsen wächst sich zum Skandal aus. Zunächst hatte ein Video im Internet für Empörung gesorgt, in dem zu sehen war, wie verängstigte und weinende Flüchtlinge unter dem Geschrei einer Menschenmenge zögerlich einen Bus verlassen. Nun ist ein zweites, drastischeres Video aufgetaucht. Darin ist zu sehen, wie ein Polizist einen jugendlichen Flüchtling gewaltsam aus dem Bus schleift - unter dem Gegröle einer Menschenmasse. Zuvor sind Männerstimmen zu hören. Sie schreien: "Verpisst euch", "Ihr braucht doch nicht arbeiten hier" und "Hol ihn raus".

Etwa hundert Menschen haben sich am Donnerstagabend in Clausnitz versammelt. Sie hindern den Bus eineinhalb Stunden daran, zur Flüchtlingsunterkunft zu kommen. Polizisten schirmen den Bus vor der Menschenmenge ab. Der Kameramann filmt einem Beamten direkt über die Schulter. Die Menge ruft im Stakkato "hey, hey, hey" - es klingt bedrohlich. Die Menschen im Bus zögern, die Todesangst lässt sich von ihren Gesichtern ablesen. Dazwischen sind immer wieder Kommentare aus der Menge zu hören: "Die kommen ja nicht raus", "Ab nach Hause".

Kein Gewaltpotential? Es herrscht Pogromstimmung

Die entscheidende Passage des Videos beginnt in Sekunde 43. "Raus jetzt" schreit einer. Im vorderen Bereich des Busses sind zwei Jungen zu sehen, vielleicht neun oder zehn Jahre alt. Sie tragen Baseballcaps "Hol ihn mal raus jetzt", brüllt jemand. Ein Polizist zeigt auf einen der Jungs. "Als erstes den rausholen", ist zu hören. Dann geht einer der Beamten auf ihn zu. Er packt den Jungen an den Schultern. Als der zurückweicht, nimmt der Polizist ihn in den Schwitzkasten und schleift ihn in den Hausflur. Die Menge tobt. "Ja! Raus!" - es herrscht Pogromstimmung.

Noch am Nachmittag hatte der Bürgermeister von Clausnitz der SZ am Telefon versichert, es habe kein Gewaltpotential gegeben. Das sieht anders aus. Die Sequenz endet damit, wie sich eine Frau mit Kopftuch aus dem hinteren Teil des Busses nach vorne traut. Sie spuckt dem Mob entgegen. Die Szene ist auch in dem früher veröffentlichten Video zu sehen, hier überschneiden sich die Aufnahmen.

Die Polizei in Sachsen veröffentlicht am Abend eine Stellungnahme auf Facebook - darin heißt es: Das Video und der Einsatz werden umgehend ausgewertet." Und ein Statement des sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) ist angefügt: "Ich habe mir das Video angesehen. Die Bilder sprechen ihre Sprache. Das Innenministerium wird den Einsatz der Polizeidirektion Chemnitz mit allen Beteiligten umgehend auswerten. Erst dann können wir Konsequenzen ziehen."

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