Drei Tage lang hat Jürgen Opitz bereits Antworten gegeben, als er endlich selbst die Gelegenheit bekommt, mal ein paar Fragen zu stellen. Es ist Montagabend, der Bürgermeister von Heidenau sitzt in der Christusgemeinde, letzte Reihe, ganz links. Gerade sind weiße Zettel durch die Bänke gewandert, wer mag, kann darauf Klagen und Wünsche schreiben. Am rechten Rand seines Zettels lässt Opitz viel Platz, da geht es mit dem Wünschen ja schon los. Auf die linke Seite schreibt er: "Ich beklage die Zerrissenheit in unserer Stadt: Wer ist Rassist? Wer war dabei? Werden wir wieder vertrauensvoll miteinander leben können?"
Sachsen:Örtlich betäubt
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Heidenau, ehemaliger Südbahnhof - wie die ganze Stadt ist er ein fast unwirklicher Ort. Rassisten, Nazis und Hooligans randalieren hier tagelang.
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Am Mittwoch kommt die Kanzlerin: Die Flüchtlinge haben Angela Merkel begeistert empfangen. Aber draußen pöbelt der rechte Mob: "Verpiss Dich!"
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Was sich während der Ankunft zunächst als ein unentschiedenes Buhklatschen andeutet, erweist sich dann ziemlich eindeutig als Buhen.
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Wo, bitte, sind die Bürger? Diese Einheimische beschenkt eine junge Muslim-Familie aus Damaskus, Syrien.
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Rudolf Seiters, der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, fühlt sich erinnert an die Zeit in den frühen Neunzigern, an erste Härten der Asylpolitik.
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"Dem deutschen Volke", grölen ein Einige. Und stellen sprachlos machende Fragen: Warum Menschen als Menschen betrachten, die sich nur durchfüttern lassen wollen?
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Im Fokus der Debatten: Um diesen zur Flüchtlingsunterkunft umgebauten ehemaligen Baumarkt geht es.
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Von Sigmar Gabriel, dem Vizekanzler, und seinem Besuch am Montag wird in Heidenau vor allem das Wort "Pack" in Erinnerung bleiben.
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Die Flüchtlinge zeigen mit Teelichtern vor der Unterkunft, was sie wollen: Frieden.
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Doch den haben sie derzeit nicht: Polizisten müssen immer wieder Anhänger der rechten Szene des Geländes verweisen.
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In drei Nächten eskaliert die Situation. Seither ist Heidenau weltweit zum Synonym für Fremdenfeindlichkeit geworden.
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Die Sachsen, die seien immun gegen Rechtsextremismus, sagte einst Kurt Biedenkopf, der Urvater des neuen Freistaates.
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Doch die Immunreaktion von Heidenau auf die Ausschreitungen fällt bislang erschreckend schwach aus.
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"Der Besuch war kurz, aber heftig", sagt Bürgermeister Jürgen Opitz, nachdem Merkel wieder weg ist.
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Der Heidenauer CDU-Politiker weiß nicht, wie man in seiner zerrissenen Stadt je wieder miteinander auskommen soll.
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Bei der Flut 2013 kam die braune Brühe von der Elbe nach Heidenau, doch dieses Mal kam sie mitten aus der Bevölkerung. Nach dem Besuch der Kanzlerin bleibt die Frage: Wo, bitte, sind die Bürger?
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