Sachsen:Flüchtlingsbus belagert

Lesezeit: 1 min

Eine Gruppe von Demonstranten hat Flüchtlinge in Clausnitz mit "Wir-sind-das-Volk"-Sprechchören empfangen. Der Bürgermeister macht auswärtige Krawallmacher verantwortlich.

Von Christoph Meyer und Deniz Aykanat, München

Eine Gruppe von etwa hundert Demonstranten hat am Donnerstag einer Gruppe von Flüchtlingen im sächsischen Rechenberg-Bienenmühle einen unangenehmen Empfang bereitet. Die Menschen blockierten zunächst die Zufahrt zu dem Flüchtlingsheim im Ortsteil Clausnitz und schüchterten später die Menschen mit "Wir sind das Volk"-Sprechchören ein. Erst nach etwa eineinhalb Stunden gaben die Blockierer die Zufahrt für den Flüchtlingsbus frei.

Die Polizei war mit etwa 30 Mann im Einsatz. In einem Video, das im Internet kursiert, ist zu sehen, wie ein Kind mit angstverzerrtem Gesicht zögerlich den Bus verlässt. Auch Frauen, die sich verängstigt im Arm halten, sind zu sehen. Direkt davor skandiert eine wütende Menge den Slogan der DDR-Bürgerrechtsgruppen. Das Video verbreitete sich schnell im Internet. Es war zuerst auf der Facebook-Seite einer fremdenfeindlichen Gruppe namens "Döbeln wehrt sich - Meine Stimme gegen Überfremdung" zu sehen. Später war die Seite nicht mehr erreichbar. Döbeln liegt ebenfalls in Sachsen, etwa eine Autostunde von Clausnitz entfernt. Der Bürgermeister des Ortsteils, Michael Funke, bestätigte der Süddeutschen Zeitung die Echtheit der Aufnahmen. "Da war schon eine aufgeheizte Stimmung", sagte Funke. Dabei habe nur ein kleiner Teil der Umstehenden "gestört". Er vermutet, dass der größte Teil der Unruhestifter von auswärts angereist sei. "Unschön" nannte er die Szenen aus dem Video. "Ich schäme mich sehr dafür."

Die Unterkunft besteht aus mehreren Mehrfamilienhäusern in dem 800-Einwohner-Ortsteil. Wie die Demonstranten von der Ankunft der Flüchtlinge erfuhren, kann sich Funke nicht erklären. Die Stadtverwaltung sei erst etwa 20 Stunden vor deren Eintreffen informiert worden, die Nachricht davon habe sich aber "in Windeseile" über die sozialen Medien verbreitet. "Wir sind kein rechtsradikaler Ort", sagt Funke. Eine Gruppe von etwa 20 Helfern habe sich um die verängstigten Flüchtlinge gekümmert. "Und wir haben seit dem Vorfall etliche Anfragen von Bürgern bekommen, die sich für die Flüchtlinge engagieren wollen."

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: