Sachen über Thüringen:Mehr als Wurst und Weimar

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Thüringens Rostbratwürste haben schon Luther und Goethe geschmeckt. Im Hintergrund: Untermhaus, ein Stadtteil von Gera. (Foto: dpa)

Welcher Sturm-und-Drang-Dichter war Rostbratwurst-Fan, was hat Gotha mit dem deutschen Versicherungswesen zu tun? Wr diese Fragen beantwortet haben will, sollte nach Thüringen reisen.

Von Luisa Seeling

Am 14. September haben die Thüringer einen neuen Landtag gewählt. Höchste Zeit, sich dort mal umzusehen.

Thüringen liegt ganz bescheiden in der Mitte

Thüringen ist klein, mit 2,2 Millionen Einwohnern und etwa 16 000 Quadratkilometern Fläche aber nicht das kleinste Bundesland. Die Großstädte des Freistaats - Erfurt und Jena - sind mit etwas mehr als 200 000 beziehungsweise 100 000 Einwohnern überschaubarer als die Metropolen anderer Bundesländer. Aber was ist schon Größe, wenn die Lage stimmt? Der Mittelpunkt Deutschlands, haben geografische Messungen ergeben, liegt irgendwo im Nordwesten Thüringens. Wo genau, hängt von der Art der Berechnung ab. Einer der möglichen Mittelpunkte liegt bei Niederdorla im Unstrut-Hainich-Kreis, über den Stolz und die Erwartungen der Bewohner drehten vor zehn Jahren Claudia Hempel und Nils Werner einen Dokumentarfilm (Ausschnitt aus "Und plötzlich waren wir Mittelpunkt" hier).

Thüringen hat Kultur. Und noch mehr Kultur

Den meisten Menschen fällt beim Thema Kultur in Thüringen als erstes Weimar ein. Die Stadt südöstlich des Ettersberges erlebte gleich mehrmals eine kulturelle Blütezeit. Zum Beispiel um 1800, als Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe oder Friedrich Schiller in Weimar am Hof wirkten. An der Universität Jena bildete sich zu jener Zeit ein Zentrum der deutschen Philosophie, zu dem Namen wie Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Georg Wilhelm Friederich Hegel gehörten. Die Jenaer Romantik prägten wiederum Dichter wie Novalis, Clemens Brentano und Friedrich Schlegel.

Im 20. Jahrhundert wurde dann das Staatliche Bauhaus, 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet, stilprägend für eine ganze Epoche und beeinflusste Architektur, Kunst und Design.

Die Bauhausstätten in Weimar und Dessau wurden 1996 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Auch das klassische Weimar (unter anderem das Stadtschloss) gehört zum Weltkulturerbe, ebenso die Wartburg bei Eisenach.

Im 16. Jahrhundert wurde Thüringen zu einem der Schauplätze der Reformation. Seine 95 Thesen schlug Martin Luther zwar in Wittenberg, also im Osten Sachsen-Anhalts an. Doch er verbrachte seine Schulzeit im thüringischen Eisenach, in Erfurt studierte er Theologie, auf der Wartburg bei Eisenach übersetzte er die Bibel ins Deutsche. Hier hielt ihn der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise von Mai 1521 bis März 1522 versteckt.

Thüringen ist die Wiege des Versicherungswesens

In Gotha, der fünftgrößten Stadt Thüringens, steht das Museum der deutschen Versicherungswirtschaft. Nach eigenen Angaben das einzige seiner Art in Deutschland, möglicherweise weltweit. Seine Existenz verdankt das Haus Ernst-Wilhelm Arnoldi, 1778 in Gotha geboren und 1841 dort gestorben. Der Kaufmann gilt als "Vater des deutschen Versicherungswesens", weil er in Gotha die ersten Versicherungsgesellschaften gründete. Im Juni dieses Jahres meldete die Thüringer Allgemeine den 5555. Besucher und allgemein steigende Besucherzahlen seit der Eröffnung vor etwas mehr als fünf Jahren.

Thüringen mag es deftig

Fast jeder in Deutschland kennt sie: Die Thüringer Rostbratwurst ist ein Klassiker. Die älteste urkundliche Erwähnung findet sich im Staatsarchiv Rudolstadt. Da heißt es in der Abschrift einer Probstei-Rechnung des Arnstädter Jungfrauenklosters aus dem Jahr 1404: "1 gr vor darme czu brotwurstin" - ein Groschen für Bratwurstdärme.

Entsprechend wichtig war es den Thüringern, dass ihre Rostbratwurst zu mindestens 51 Prozent aus regionalen Zutaten bestehen musste - bis 2011 zumindest. Da nämlich meldeten sich die Beamten der Europäischen Union mit Verordnung (EG) Nr. 510/2006 und schafften die 51-Prozent-Regel ab. Begründung: "Die Eigenschaften oder das Ansehen des Produktes hängen nicht davon ab, dass ein Teil der verwendeten Rohstoffe aus der Region kommt." Dass die Thüringer Wurst ein glänzendes Image genießt, hebt das Dokument immerhin lobend hervor: "Sie wurde schon von Martin Luther und Goethe geschätzt und bereits 1669 in der Literatur (Grimmelshausen, Simplizissimus) lobend erwähnt."

"... Thüringen, das Land ohne Prominente, na ja gut: Heike Drechsler, aber die könnte auch aus Weißrussland sein. Thüringen, Thüringen, Thüringen ist eines von den schwierigen Bundesländern, denn es kennt ja keiner außerhalb von Thüringen. Im Thüringer Wald da essen sie noch Hunde nach altem Rezept zur winterkalten Stunde, denn der Weg zum nächsten Konsum ist so weit zur Winterszeit ..." ( Rainald Grebe: "Thüringen")

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