Saarland:Spannung dank Schulz

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Dem SPD-Kanzlerkandidaten gelingt im Moment vieles. Er belebt sogar den herzlich langweiligen Landtagswahlkampf im Saarland.

Von Susanne Höll, Saarbrücken

Gut möglich, dass in dem ohnehin kuriosen saarländischen Landtagswahlkampf alsbald Spiesen-Elversberg eine Rolle spielen wird. Dort, etwa 15 Kilometer von Saarbrücken entfernt, kam einst Albert Schulz zur Welt, der Vater von Martin Schulz. Martin Schulz, Herausforderer von Angela Merkel, möchte gern Kanzler der Bundesrepublik werden. Ob das klappt, stellt sich erst im Herbst heraus. Viel früher, nämlich schon am 26. März, wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Und wenn man die Dinge richtig versteht, ist der größte Konkurrent der regierenden CDU mit Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer derzeit nicht die heimische SPD-Kandidatin Anke Rehlinger, sondern eben jener Sohn von Albert Schulz aus Spiesen-Elversberg.

Die CDU möchte die große Koalition gerne fortsetzen - auch mangels Alternativen

Beim TV-Duell der beiden Spitzenkandidatinnen jedenfalls spielte der frühere EU-Parlamentspräsident am Donnerstagabend eine große und belebende Rolle. Belebend deshalb, weil seine Nominierung und seine aktuell euphorisierende Wirkung auf die Sozis Schwung in einen ansonsten, nun ja, wenig spannungsreichen Wahlkampf im kleinen Saarland bringt. Rehlinger, die bislang mit Kramp-Karrenbauer in einer großen Koalition regierte und bestenfalls moderate Chancen hatte, die Ministerpräsidentin abzulösen, geriet ins Schwärmen. Sie stellte eine "sensationelle Aufbruchstimmung" fest, prophezeite, mit Schulz komme endlich Emotion in die politische Auseinandersetzung, und machte den in den letzten Jahrzehnten schwer gebeutelten Saar-Sozialdemokraten Hoffnung: "Das Rennen ist offen."

Kramp-Karrenbauer reagierte schmallippig: "Schulz ist gehypt. Er gibt sehr schöne Allgemeinplätze von sich." Sicherheitshalber erinnerte sie die heimischen Wähler auch daran, dass am 26. März nicht der Bundestag, sondern das Landesparlament bestimmt wird.

Bisherige Umfragen, die allesamt mit Vorsicht zu genießen sind, legten nahe, dass das Land auch in den kommenden fünf Jahren von einer großen Koalition regiert werden wird, unter Führung der CDU. Die will das Bündnis erklärtermaßen gern fortsetzen, was sich allerdings hauptsächlich damit erklärt, dass es rechnerisch keine einigermaßen realistische Alternative gibt. Schwarz-Grün wird nach derzeitigem Stand nicht genügend Stimmen haben, die FDP muss um ihren Einzug in den Landtag bangen.

Politisch anständig, wenig streitlustig: Die Spitzenkandidatinnen von CDU und SPD, Annegret Kramp-Karrenbauer (links) und Anke Rehlinger. (Foto: Oliver Dietze/dpa)

Die SPD meidet eine Koalitionsaussage, aus verständlichen Gründen. Ein rot-rot-grünes Bündnis ist innerparteilich umstritten, dem Linken-Fraktionschef und Parteistar Oskar Lafontaine trauen etliche Sozialdemokraten nicht über den Weg. Selbiges gilt für den schillernden grünen Fraktions- und Ko-Parteivorsitzenden Hubert Ulrich, so er sich und seine Leute überhaupt über die Fünf-Prozent-Hürde hieven kann.

In den bisherigen Meinungsumfragen lag die CDU klar vorn. Kramp-Karrenbauer ist populär und würde in einer Direktwahl Rehlinger hinter sich lassen. Die beiden Damen haben in den vergangenen Jahren vergleichsweise gut und überraschend geräuschlos zusammengearbeitet. Beide wissen um die höchst prekäre Lage ihrer Heimat. Das Saarland ist schwer verschuldet, junge Leute suchen ihre Arbeit und ihr Glück anderswo in Deutschland. Wer immer in Saarbrücken regiert, muss wissen, dass er - oder sie - um das Weiterbestehen des Landes und erträgliche Lebensbedingungen für die Bürger kämpfen muss.

Persönliche wechselseitige Angriffe der Spitzenkandidatinnen waren und sind in diesem Wahlkampf nicht zu erwarten. Die beiden sind bodenständige Personen, politisch anständig und ohne spürbare Lust an Sottisen und Ränken. In dem Fernseh-Duell, das eigentlich keines war, wurden zwar Differenzen spürbar, aber keine Antagonismen. Die SPD möchte auch an den heimischen Gymnasien zu einer Schulzeit von neun statt der bisherigen acht Jahre zurückkehren. Kramp-Karrenbauer lehnt das ab. Sie argumentiert, wer die Matura in neun Jahren absolvieren wolle, könne das an den heimischen Gemeinschaftsschulen, einer Art Gesamtschule, tun. Einer weiteren Zusammenarbeit, so signalisierten die beiden sowohl im Stil als auch in der Körpersprache, steht im Prinzip nichts entgegen.

Es sei denn, dass der Schulz-Effekt die Sozialdemokraten in die Höhe schiebt und die Grünen mit Bravour in den Landtag einziehen. Dann könnte es eine Mehrheit für eine Dreier-Koalition geben, mit einer Ministerpräsidentin Rehlinger an der Spitze. Für die 40 Jahre alte Juristin dürfte es in diesem Fall äußerst schwierig sein, auf das Regierungsamt und einen Machtwechsel zu verzichten, selbst wenn die SPD im Ergebnis hinter der CDU liegen sollte. Dann wären die Sozialdemokraten zu einer rot-rot-grünen Landesregierung geradezu verpflichtet - mit allen damit verbundenen Risiken.

Für Schulz wäre auf seinem schwierigen Weg zur Bundestagswahl ein SPD-Erfolg im Saarland allerdings ebenfalls sehr bedeutsam, der Stimmung und der Motivation wegen. Er engagiert sich frühzeitig im Saar-Wahlkampf: Auf dem Parteitag der Landes-SPD am Freitag in Orscholz, eine knappe Autostunde von Spiesen-Elversberg entfernt, wurde er als Stargast erwartet.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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