Annegret Kramp-Karrenbauer im Interview:"Heiko Maas steht für einen Wackelkurs"

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Am Sonntag zeigt sich, ob Annegret Kramp-Karrenbauer als Regierungschefin mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingeht oder ob sie SPD-Konkurrent Heiko Maas eine weitere Niederlage zufügen kann: Im SZ-Interview spricht die CDU-Kandidatin über den Jammerzustand der FDP, Maas' menschliche Seite - und wie sie das Saarland aus der Schuldenfalle holen will.

Marc Widmann

SZ: Frau Kramp-Karrenbauer, wenn die Wahl am Sonntag für Sie schiefgeht, würden Sie als Ministerpräsidentin mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen. Sind Sie ein Zockertyp?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich bin kein Zockertyp, sondern ein auf Sicherheit bedachter Mensch. Mein Lebensziel ist es auch nicht, in die Geschichte einzugehen, sondern ordentlich für das Land zu arbeiten. Daran sehen Sie, wie drängend die Situation im Januar war, als ich die Jamaika-Koalition beendet habe.

SZ: Sie haben die Koalition ausgerechnet während der Rede von Philipp Rösler auf dem Dreikönigstreffen der FDP platzen lassen. Manche wittern dahinter bis heute eine Verschwörung.

Kramp-Karrenbauer: Ich kenne diese Verschwörungstheorien, und sie sind so wie alle Verschwörungstheorien nicht wahr. Die Abläufe hier im Saarland haben sich einfach so überschlagen, dass es geboten war, an die Öffentlichkeit zu gehen. Das hatte nichts mit der Rede von Philipp Rösler zu tun. Ich hatte sehr vieles an diesem Morgen im Auge, aber weder das Dreikönigstreffen noch die Rede von Philipp Rösler.

SZ: War die Jamaika-Koalition im Nachhinein betrachtet ein Fehler?

Kramp-Karrenbauer: Die Jamaika-Koalition hat in den vergangenen zwei Jahren im Saarland einiges erreicht, etwa eine Schulstrukturreform und zweimal einen Sparhaushalt, der der Schuldenbremse entspricht. Insofern war sie von den Inhalten her gut unterlegt. Jamaika ist nicht an den politischen Inhalten gescheitert, sondern an der Instabilität der FDP.

SZ: Mit dieser FDP gab es keine Chance mehr?

Kramp-Karrenbauer: Nein, wir haben das sehr genau überlegt. Mit Blick auf die Aufgaben, die vor der saarländischen Politik liegen, brauchen wir stabile Verhältnisse und eine klare Regierungspolitik. Das war mit einer Regierungspartei FDP, die sich durch das Führungsverhalten ihrer Leute dermaßen diskreditiert hat, einfach nicht mehr zu gewährleisten. Dann gebot es mein Amtseid, hier einzugreifen und die Zusammenarbeit zu beenden.

SZ: Hat sich die Bundeskanzlerin damit inzwischen arrangiert? Aus Berlin war ja zu hören, dass sie das große Risiko Neuwahlen nicht so erbaulich fand.

Kramp-Karrenbauer: Die Kanzlerin ist die Bundespolitikerin, die in diesem Wahlkampf am häufigsten Auftritte im Saarland absolviert. Das ist ein klarer Beleg dafür, dass sie Seite an Seite mit uns kämpft.

SZ: Frau Merkel ist also nicht nachtragend?

Kramp-Karrenbauer: Wir haben uns ausgetauscht zwischen Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender. Ich habe die Verantwortung hier im Land zu tragen, das habe ich getan, und jetzt kämpfen wir gemeinsam als CDU-Politikerinnen für die Mehrheit hier im Land.

SZ: Es ist ja ein seltsamer Wahlkampf, weil die große Koalition schon beschlossen scheint. Warum sollen die Menschen überhaupt noch wählen gehen?

Kramp-Karrenbauer: Wir wollen stabile Verhältnisse und die sind am besten durch die Zusammenarbeit der beiden Volksparteien gewährleistet. Die entscheidende Frage dabei ist aber, wer Ministerpräsidentin in diesem Land ist, und darüber können die Saarländer zum ersten Mal in einer Art Direktwahl entscheiden. Das ist doch sehr spannend.

SZ: Ist es überhaupt ein großer Unterschied, ob Sie oder Ihr Herausforderer Heiko Maas von der SPD an der Spitze stehen?

Kramp-Karrenbauer: Natürlich! Heiko Maas steht für einen Wackelkurs, das hat er in der Vergangenheit oft gezeigt. Er hat das Thema Schuldenbremse erst vor wenigen Monaten für sich entdeckt. Ich dagegen stehe für zwölf Jahre Verantwortung in der Regierung und habe bewiesen, dass ich in schwierigen Situationen verantwortungsbewusst handele und Dinge durchsetze, selbst wenn sie schwierig sind. Das ist schon ein Unterschied.

SZ: Mögen Sie Heiko Maas als Mensch?

SPD-Kandidat Maas, Annegret Kramp-Karrenbauer: "neutrales Verhältnis". (Foto: dpa)

Kramp-Karrenbauer: Wir haben sowohl bei der Sondierung als auch bei der einen oder anderen Sachfrage im letzten Jahr miteinander zu tun gehabt - unser Verhältnis ist neutral und sachlich.

SZ: Neutrales Verhältnis klingt aber nicht sehr euphorisch. Sie sind sich doch relativ ähnlich: sachbezogene Politiker, die nicht so breitbeinig daherkommen.

Kramp-Karrenbauer: Das ist doch eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

SZ: Glauben Sie, dass die SPD auch dann zu einer großen Koalition steht, wenn sie nur Zweite werden sollte? Es gibt immer wieder Gerüchte, dass einige doch lieber ein rot-rotes Bündnis wollen und auch Oskar Lafontaine hinter den Kulissen mächtig aktiv sein soll.

Kramp-Karrenbauer: Ich kenne diese Gerüchte. Die letztendliche Antwort darauf wird nur die SPD selbst geben können. Der Spitzenkandidat hat sich in dieser Frage absolut festgelegt, die Partei hat ihn mit 100 Prozent zum Spitzenkandidaten gemacht - und wenn sie von dieser Position abweicht, ist das 100 Prozent Wahlbetrug.

SZ: Wenn Sie nur Zweite werden, können Sie sich dann vorstellen, wieder als gewöhnliche Ministerin zu arbeiten, wie Sie es viele Jahre waren?

Kramp-Karrenbauer: Wir wollen die Mehrheit wieder gewinnen und Nummer eins bleiben. Das ist mein Ziel, insofern befasse ich mich überhaupt nicht mit einem Plan B. Aber klar ist auch: Wir wollen stabile Verhältnisse im Land, dafür stehe ich als CDU-Landesvorsitzende in der Verantwortung - und ich werde auch alles daran setzen, dass wir diese stabilen Verhältnisse nach der Wahl bekommen. Was das für meine Person bedeutet, werde ich am Ende gemeinsam mit meinen Freunden von der CDU bestimmen.

SZ: Sind die kommenden fünf Jahre entscheidend für das Schicksal des Saarlandes?

Kramp-Karrenbauer: Ja, sie sind entscheidend, weil wir in den nächsten fünf Jahren ganz wichtige Weichenstellungen haben: Wie geht es weiter mit dem Länderfinanzausgleich? Wie geht es weiter mit der Aufbauhilfe Ost? Wie geht es weiter mit der Schuldenbremse und den Altschulden?

SZ: Sind Sie auch für ein sofortiges Ende der Hilfen für den Osten?

Kramp-Karrenbauer: Wer jetzt verlangt, aus dem laufenden System auszusteigen, handelt aus meiner Sicht fahrlässig. Ich halte nichts von den aktuellen Vorstößen, sei es aus NRW oder aus den Geberländern, jetzt ein bestehendes System anzugreifen. Wir haben einen Länderfinanzausgleich und wir haben Vereinbarungen zum Solidarpakt Ost. Beide haben eine vereinbarte Laufzeit.

SZ: Und nach 2019?

Kramp-Karrenbauer: Am Ende dieses Zeitraums wird sich die Frage stellen, wie es mit diesem System weitergeht. Da ist meine klare Position: Alles muss dann auf den Prüfstand! Wir haben das Gebot der gleichmäßigen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik. Deshalb muss es meiner Meinung nach in Zukunft weniger um das Thema Ost-West gehen, sondern um die Frage: Wo sind die Boomregionen und wo die Regionen, die weiterer struktureller Hilfe bedürfen. Die Hilfsbedürftigkeit muss dann das entscheidende Kriterium sein und nicht die geographische Lage.

SZ: Die größte Aufgabe der nächsten Regierung ist das Sparen. Auf dem Saarland lasten zwölf Milliarden Euro Schulden, jedes Jahr geben Sie eine halbe Milliarde nur für Zinsen aus. Ist das überhaupt zu schaffen?

Kramp-Karrenbauer: Es ist zu schaffen, wenn wir das sehr gute Wirtschaftswachstum, das wir zur Zeit haben, halten können. Und wenn wir weiter einen klaren Sparkurs fahren. Dazu werden wir den öffentlichen Dienst weiter reformieren müssen. Wir werden nur noch einen Teil der Stellen, die durch Ruhestandsversetzungen frei werden, wiederbesetzen können. Gleichzeitig müssen wir die Strukturen überprüfen. Ich habe gerade mit dem Chef der Software AG eine Vereinbarung getroffen, dass das Saarland ein Modellland werden soll bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen.

SZ: Aber so richtig Spaß macht das Regieren nicht, wenn man vor allem Kürzungen verkünden muss.

Kramp-Karrenbauer: Das ist eine sehr ernste und große Herausforderung. Ich gehöre aber nicht zu denen, die sagen, gestalten in der Politik kann man nur, wenn man Geld hat. Auch solche Prozesse müssen gestaltet werden, das ist sogar die wesentlich anspruchsvollere Aufgabe.

SZ: Ist in der saarländischen Politik die Zeit der Alpha-Männer mit großen Egos vorbei? Zieht gerade eine neue Sachlichkeit ein?

Kramp-Karrenbauer: Mein Eindruck ist, dass es in der Bevölkerung eine Mehrheit für eine sachorientierte und ernsthafte Politik gibt. Natürlich muss man in so einer schwierigen Zeit auch Führung beweisen. Aber das kann man auch, indem man hart in der Sache ist und trotzdem verbindlich im Ton.

SZ: Bei einem Museumsbau in Saarbrücken wirft Ihnen die Opposition vor, Sie hätten in Ihrer Zeit als Kultusministerin Zahlen geschönt. Schadet Ihnen das Thema nicht schon deshalb, weil die Bürger nach zwölf Jahren CDU in der Regierung sagen könnten: Nach solchen Geschichten ist jetzt mal Zeit für einen Wechsel?

Kramp-Karrenbauer: Ob Zeit für einen Wechsel ist, wird sich am Sonntag zeigen. Ich persönlich gehe mit aller Offenheit und Transparenz mit dem Thema um. Die Fragen, die mir dabei gestellt werden, sind dieselben, die ich schon vor einem halben Jahr offen und ehrlich beantwortet habe. Mit dieser Offenheit stelle ich mich dem Wähler.

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