S21-Schlichtung: Überraschende Initiative:"Frieden in Stuttgart" - Geißler schlägt Kombi-Bahnhof vor

Die Schlichtung zu Stuttgart 21 ist mit einer Überraschung zu Ende gegangen. Heiner Geißler zauberte zur Überraschung fast aller kurz vor Schluss der Gespräche ein Kompromisspapier aus dem Hut: eine Kombination aus Kopf- und Tiefbahnhof. "Frieden für Stuttgart" hat er diesen Vorschlag genannt. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich: Befürworter und Gegner reagierten mit Skepsis.

Roman Deininger und Martin Kotynek

Im Streit um Stuttgart 21 hat Schlichter Heiner Geißler überraschend einen Kompromissvorschlag gemacht. Geißler regte am Freitag im Stuttgarter Rathaus eine kombinierte Lösung an. Sie soll aus dem bestehenden Kopfbahnhof und einer unterirdischen Durchgangsstation bestehen.

Der Fernverkehr solle durch einen Tiefbahnhof laufen, der Nahverkehr über einen verkleinerten Kopfbahnhof. Geißlers Papier, das er gemeinsam mit dem Schweizer Verkehrsberatungsbüro SMA erarbeitet hat, trägt den Titel "Frieden in Stuttgart".

Demnach sollen der etwas verkleinerte Kopfbahnhof mit seinen Zufahrten sowie die sogenannte Gäubahn in Betrieb bleiben. Auch der Südflügel des Kopfbahnhofes würde bestehen bleiben und die Einschnitte im angrenzenden Park würden kleiner ausfallen.

Der Tiefbahnhof solle nur noch viergleisig unterhalb des Kopfbahnhofs gebaut werden. Die Kosten für sein Modell schätzt Geißler auf 2,5 bis drei Milliarden Euro; der derzeit geplante Tiefbahnhof soll 4,1 Milliarden Euro kosten.

Ein ähnliches Konzept hatte die Bahn in der Vergangenheit abgelehnt. Der Technik-Vorstand der Bahn, Volker Kefer, zeigte sich über den Vorstoß des Schlichters "völlig verblüfft", sieht aber vorerst keinen Handlungsbedarf. Einen Bau- und Vergabestopp, wie ihn die Gegner sogleich forderten, werde es nicht geben. "Wir werden ganz normal weitermachen und Aufträge für Stuttgart 21 vergeben", sagte Kefer. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte zu, den "Vorstoß ernsthaft zu prüfen".

"Kaum Realisierungschancen"

Die mitregierende SPD lehnt den Kompromissvorschlag laut Finanz-Staatssekretär Ingo Rust hingegen ab. Wolfgang Drexler (SPD), der ehemalige S21-Projektsprecher, sagte der Süddeutschen Zeitung, er gebe Geißlers Idee "kaum Realisierungschancen". Die von den Gegnern befürchteten Probleme etwa beim Tunnelbau und beim Grundwasser blieben gleich. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sprach indes von einem "sehr überdenkenswerten Vorschlag". Er sei eine Grundlage für weitere Verhandlungen.

Stuttgart 21- Heiner Geißler

Alle schauen auf den Schlichter - und der hat etwas mitgebracht: Heiner Geißler präsentierte am Freitag in Stuttgart einen neuen Kompromissvorschlag.

(Foto: dpa)

Zuvor hatte sich die Bahn bereiterklärt, einen Teil des sogenanntenStresstests zu wiederholen. Die Gutachterfirma SMA, die den Stresstest der Bahn geprüft hatte, hat kleine Nachbesserungen empfohlen. Auf Initiative von Geißler sagte Kefer, ein weiterer Simulationslauf sei "relativ kurzfristig zu machen".

Eigentlich sollte der Stresstest den Streit um das Bahnprojekt beenden. Kritiker und Befürworter hatten sich bei den Schlichtungsrunden im vergangenen Herbst auf ein Gutachten geeinigt, bei dem die Bahn die Leistungsfähigkeit des geplanten Bahnhofs nachweisen sollte. Das Ergebnis, das am Freitag im Stuttgarter Rathaus präsentiert wurde, zeigte, dass der geplante Bahnhof deutlich mehr Züge in der Spitzenstunde abwickeln kann als der bestehende Kopfbahnhof.

Das Aktionsbündnis hält das Ergebnis aber nur für "scheinbar gut", da Stuttgart 21 Verspätungen im Zugverkehr insgesamt nicht abbauen würde - es drohe ein "Verspätungskollaps". In der Schlichtung sei jedoch ein Abbau von Verspätungen vereinbart worden, sagte der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Die Bahn habe "mit Tricks die Realität ausgeblendet". Kefer wies dies zurück. Im geplanten Bahnhof würden Verspätungen leicht abgebaut, das sei auch das Ergebnis des Stresstests. Ein noch stärkerer Abbau von Verspätungen sei aber nicht wirtschaftlich, sagte Kefer.

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