S21-Gegner scheitern bei Volksabstimmung:Stuttgarter Frieden

Stuttgart 21 wird gebaut: Das Gute an diesem Ergebnis des Volksentscheids ist sein klares Ergebnis. Am Bahnhofsprojekt gibt es nichts mehr zu rütteln. Jetzt kann das Gezeter enden - und die Bahnhofsgegner gewinnen die Erkenntnis: Sie haben nicht nur die Mehrheit der Baden-Württemberger gegen sich, sondern auch die Mehrheit der Stuttgarter.

Detlef Esslinger

Stuttgart 21 wird also gebaut. Zwar war die Wahrscheinlichkeit, dass alle Schwaben von diesem Montag an akzentfrei sprechen, immer größer als die, dass sie den Stopp des Projekts verfügt hätten. Aber womit man nicht unbedingt rechnen konnte, das war, in welchem Ausmaß die Gegner des Bahnhofsbaus verloren haben.

"Frieden für Stuttgart" lautete im Sommer die Überschrift eines Papiers, in dem der Schlichter Heiner Geißler eine Kombination aus Tief- und Kopfbahnhof vorschlug. Dieser Frieden ist jetzt umstandsloser zu haben.

Für die Nicht-Stuttgarter unter den Deutschen war es in den vergangenen zwei Jahren mitunter schwierig, sich eine Meinung zu den Geschehnissen dort zu bilden: Sollte man all die Menschen dort bewundern für das Engagement, das sie in einer lokalen Angelegenheit entwickelten? Oder war nicht eher Entsetzen naheliegend, weil sie eine Leidenschaft entwickelten, die bei einigen von ihnen auch Züge des Irrationalen hatte?

Schon die ausdrücklich so bezeichneten "Montagsdemonstrationen" waren ein Indiz dafür, dass viele S-21-Gegner zwar über erhebliche Ausdauer, nicht aber über ebensolche Stilsicherheit verfügten. Die Revolution in der DDR als Vorbild - geht's noch? Am Sonntagabend hingegen zeigten sie, dass sie anständige Verlierer sein können. Oder, pathetisch gesprochen: Es war wohl die Befriedungskraft der direkten Demokratie, die hier zu Tage trat.

Die gefühlte Mehrheit ist eigentlich die Minderheit

Der Wert dieses Ergebnisses besteht weniger darin, dass die Bahnhofsgegner verloren haben. Eine Seite musste nun mal unterliegen. Sein Wert besteht in der Eindeutigkeit des Ergebnisses. Vor dem Volksentscheid gab es viele Diskussionen, ob das Quorum nicht zu hoch sei, das die Landesverfassung vorgibt. Um Stuttgart 21 zu stoppen, hätte sich nicht nur eine Mehrheit der Abstimmenden dagegen aussprechen müssen. Sondern diese Mehrheit hätte sich zudem auf ein Drittel aller Wahlberechtigten belaufen müssen. Das Gezeter hätte zweifellos seine Fortsetzung gefunden, hätten die Gegner am Sonntag zwar die Mehrheit unter den Abstimmenden gewonnen, nur leider das Quorum verpasst.

Das aber ist für die Bahnhofsgegner vermutlich die überraschendste Erkenntnis: Sie haben nicht nur die Mehrheit der Baden-Württemberger insgesamt gegen sich, sondern auch die Mehrheit der Stuttgarter. Mag ja sein, dass sie stets weitaus mehr Menschen auf die Straße brachten als die Befürworter. Mag sein, dass auch der Bahnhofsstreit vor einem dreiviertel Jahr den Grünen so viele Wähler bescherte, dass sie seitdem den Ministerpräsidenten stellen.

Aber dass die gefühlte Mehrheit in Wahrheit so deutlich die Minderheit ist, das hätten die Bahnhofsgegner wohl kaum für möglich gehalten. Umgekehrt war das hohe Quorum in der Landesverfassung immer Ausdruck des Misstrauens politischer Eliten in die direkte Demokratie. Vielleicht legt sich das jetzt. Wozu so ein Volksentscheid doch alles gut ist.

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