Russlands Präsident Medwedjew:Die Heldenbrust bleibt blank

Bislang war es leicht, in Russland einen Orden zu bekommen. Doch jetzt will Präsident Medwedjew Ehrentitel wie verdienter Arbeiter oder verdienter Tierarzt streichen. Das hat auch handfeste finanzielle Gründe.

Frank Nienhuysen

Vielleicht hat er doch einen Witz zu viel gemacht, sonst wäre er jetzt wohl ein Held. Maxim Surajew ist der erste russische Kosmonaut, der auf der Raumstation ISS in einem eigenen Blog das Leben an Bord beschrieb. Einmal hielt er eine Wärmepumpe in der Hand und erklärte, damit könne man Gespräche der amerikanischen Astronauten-Kollegen abhören und zugleich Außerirdische in Schach halten. Aber dann: "Jungs, ist nur ein Scherz."

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Schon wieder ein Orden: Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew, hier bei der Auszeichnung einer russischen Tennisspielerin im Jahr 2009, möchte die Vergabe von Ehrentiteln künftig einschränken.

(Foto: AFP)

Ein halbes Jahr lang war Surajew im Weltraum, früher hätten schon fünf Tage ausgereicht für Russlands höchsten Orden. Denn seit Jurij Gagarin haben Kosmonauten Heldenstatus. Im ersten Mann im All bündelten sich allerlei Träume: für Sowjetfunktionäre der Sieg ihrer Ideologie, für kleine russische Jungs der Wunsch, Abenteuerliches zu erleben. Den fünfzackigen Stern aus Gold haben Raumfahrer seitdem automatisch bekommen, Surajew aber wurde zweimal abgelehnt. Und niemand weiß warum.

Ist es eine Strafe für manchen Schabernack? Oder Zeichen für einen anderen Geist, neue Bodenständigkeit, gar das Ende eines Kultes? Die Raumfahrtagentur Roskosmos hat sogar Präsident Dmitrij Medwedjew eingeschaltet. Aber der erließ jetzt einen Ukas, mit dem Surajews Helden-Hoffnung eher schwinden dürfte. Denn Medwedjew will Russland modernisieren und nun deutlich weniger Orden an die Revers seiner Bürger heften.

Ehrentitel wie verdienter Arbeiter, Agronom oder verdienter Tierarzt werden mit Medwedjews Federstrich abgeschafft. Der Suworow-Orden, benannt nach einem russischen Generalissimus, wird quasi herabgestuft und nun nicht mehr als Stern vergeben, sondern in Form eines Kreuzes. Und mit der höchsten aller Auszeichnungen, Held der Russischen Föderation, will der Präsident künftig geizen. Nur noch höchstens alle fünf Jahre soll er vergeben werden, und auch nicht häufiger als einmal an dieselbe Person. Süffisant druckte das Boulevard-Blatt Moskowskij Komsomolez ein Foto des ehemaligen Generalsekretärs Leonid Breschnjew unter dem Titel "Schlechtes Beispiel: zweimal Held der Sowjetunion, zwei Leninorden, ein Siegesorden, Orden der Oktoberrevolution."

"In Russland werden hohe Auszeichnungen bisher oft leichtfertig vergeben und sinnlos", sagt Lilija Schewzowa vom Moskauer Carnegie-Zentrum, "auch jene, die beim Geiseldrama im Musical-Theater Nord-Ost eingesetzt wurden, haben Orden erhalten. Dabei war es eine Tragödie." Umstritten ist auch der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow: Ihm werfen Menschenrechtler die Verwicklung in Morde und Entführungen vor - offiziell jedoch ist er ein Held Russlands.

Jetzt also wird Russland an seinen Ehrungen sparen und damit auch Geld. Wer mit dem höchsten Titel ausgezeichnet wird, erhält unter anderem monatlich 35000 Rubel, knapp 900 Euro, eine Steuerbefreiung und das Recht, zweimal im Jahr mit dem Zug irgendwohin zu fahren. Es lohnt sich also, ein Held zu sein. Darauf hatte sich vermutlich auch der Kosmonaut Surajew gefreut, als er ein halbes Jahr im Weltraum war.

Stattdessen landete er auf dem Boden der Tatsachen. Das Verteidigungsministerium erklärte schlicht, es gebe für die Auszeichnung keine ausreichenden Gründe. Der Testpilot Magomed Toboljew ist empört: "Alle Kosmonauten sind echte Helden, auch ohne offizielle Bestätigung." Er selbst trägt freilich Russlands höchsten Orden.

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