Russland:"Wir wollen keinen Krieg mit der Türkei"

Die Regierung in Moskau ist zwar empört über den Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei - dennoch ist das Bemühen auf beiden Seiten groß, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.

Von Julian Hans und Mike Szymanski, Moskau/Ankara

Als Reaktion auf den Abschuss eines russischen Jagdbombers an der syrisch-türkischen Grenze droht die Führung in Moskau mit harten Maßnahmen gegen Ankara. Beide Seiten betonten aber, sie wollten einen militärischen Konflikt vermeiden. "Wir wollen keinen Krieg mit der Türkei", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch in Moskau. Die diplomatischen Kontakte sollten aufrechterhalten werden. Lawrow warf der Türkei vor, den Abschuss geplant zu haben. "Dies war ganz offensichtlich ein Hinterhalt", erklärte er. Damit habe sich die Türkei an die Seite der Terrormiliz Islamischer Staat gestellt. Russlands Präsident Wladimir Putin rückte seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan in die Nähe radikaler Islamisten.

Den Einsatz an der Seite des syrischen Diktators Baschar al-Assad will Russland fortsetzen. Der Generalstab erklärte noch in der Nacht, künftig werde jeder russische Bomber von einem Jagdflugzeug begleitet, das Angreifer in der Luft abwehren kann. Wladimir Putin kündigte an, die Luftabwehr am Stützpunkt Latakia mit modernen S-400-Systemen zu verstärken.

Der überlebende Pilot der SU-24 sagte russischen Medien, er habe während des Fluges keine Warnungen von den Türken erhalten. Das Flugzeug habe die Grenze nicht überquert. Der zweite Pilot wurde nach Angaben des russischen Generalstabs getötet.

Als erste Maßnahme nach dem Zwischenfall sollen russische Touristen künftig nicht mehr in der Türkei Urlaub machen. Die Gefahr von Terroranschlägen durch Islamisten sei in der Türkei nicht geringer als in Ägypten, erklärte Lawrow. Nach dem Anschlag auf einen russischen Ferienflieger mit 224 Menschen an Bord über dem Sinai hatte Moskau Mitte des Monats alle Flüge nach Ägypten gestrichen. Hunderte Demonstranten riefen am Mittwoch vor der türkischen Botschaft in Moskau "Erdoğan Mörder" und warfen unter den Augen der Polizei Steine in die Fenster.

Derweil bemühte sich auch die Türkei, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Das Land bleibt aber bei seinem Standpunkt, mit dem Abschuss richtig gehandelt zu haben. Erdoğan sagte im türkischen Fernsehen, die Türkei habe immer "Frieden und Dialog" bevorzugt und werde dies auch in Zukunft tun. Man könne aber nicht von der Türkei erwarten, dass das Land zusehe, wenn seine Grenzen und seine Souveränität verletzt werden.

Erdoğan bezweifelte, dass es den Russen um den Kampf gegen den IS gehe. In dem Gebiet, in dem sich der Zwischenfall ereignete, gebe es keine IS-Milizen. Premier Ahmet Davutoğlu bezeichnete Russland als "Freund und Nachbarn". Die türkische Armee setzt zusätzliche Kampfjets ein. Am Mittwoch kam es im Grenzgebiet nahe der türkischen Stadt Kilis zu einem neuen Vorfall. Medienberichten zufolge wurde ein Hilfskonvoi aus der Türkei auf syrischem Gebiet von der Luft aus angegriffen. Es habe Tote gegeben, mehrere LKW stünden in Flammen. Über die genauen Umstände war vorerst nichts bekannt.

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