Russland:Wider den Stillstand

Russlands größte Bedrohung ist seine Rückständigkeit - und Putin selbst.

Von Julian Hans

Für Russland ist die wahre Bedrohung nicht die Nato, nicht die amerikanische Raketenabwehr und es sind auch nicht die Sanktionen. Die wahre Bedrohung für Russland ist seine Rückständigkeit. Das ist nicht die Interpretation irgendeines Kreml-Kritikers, das hat Wladimir Putin selbst am Donnerstag in seiner Rede zur Lage der Nation gesagt.

Allerdings war das im ersten Teil seiner Ansprache, als Putin für seine nächste Amtszeit einen großen Sprung nach vorn versprach. Vielleicht hat er sich dabei selbst nicht richtig zugehört, so wie auch die meisten anwesenden Vertreter der politischen Elite im Saal. Sowohl der Redner als auch die Zuhörer kamen erst so richtig in Schwung, als es nach einer Stunde voller Ziffern, Statistiken und Appelle endlich echten Nervenkitzel gab: Mehrmals wurde in Computer-Animationen der Beschuss der USA mit Atomwaffen simuliert.

Dagegen, dass sein Land im weltweiten Vergleich beim Lebensstandard, bei Innovationen, in der Wirtschaft immer weiter zurückfällt, hat Putin kein Rezept. Er lenkt die Geschicke des Landes seit 18 Jahren, zu lange, als dass noch jemand seinen Versprechen für eine echte Modernisierung Glauben schenken würde. Putin ist inzwischen selbst der Stillstand in Person. Aber ein Sieg über den alten Rivalen USA wirkt immerhin wie ein Trost, selbst wenn er nur in der Computergrafik zustande kommt. Vorerst. Denn das leichtfertige Reden von einem Atomschlag ist brandgefährlich.

© SZ vom 02.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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