Russland-Verwicklungen:Trump Junior mitten im Wirbelsturm

Donald Trump Jr.

Donald Trump Jr. zu Gast bei Fox-Moderator Sean Hannity (rechts).

(Foto: dpa)

Das Treffen des Trump-Sohns mit einer russischen Anwältin war skrupellos und zwingt das Weiße Haus erneut in die Defensive. Aber war es auch illegal?

Von Johannes Kuhn

Die E-Mails, die Präsidentensohn Donald Trump Jr. am Dienstag veröffentlicht hat, beweisen eines noch nicht: die Existenz von Geheimabsprachen ("Collusion") zwischen dem Trump-Lager und der russischen Regierung. Sie legen allerdings nahe, dass man im nahen Umfeld des aktuellen US-Präsidenten zu solchen Absprachen durchaus bereit war.

"Ich liebe es", schrieb der Trump-Sohn dem britischen PR-Berater Rob Goldstone im Juni 2016 angesichts möglicher brisanter Informationen über Hillary Clinton. Dieser - naive? abgebrühte? verschwörerische? - in eine Mail geschriebene Ausruf ist bereits jetzt Material für amerikanische Geschichtsbücher (sollten diese in 20 Jahren nicht von einem "America First"-Komitee verfasst werden).

Goldstones E-Mail an den Junior wiederum, in der er das Material als "Teil der Unterstützung der russischen Regierung für Herrn Trump" beschreibt, lässt keine Fragen offen, ob der Sohn des damaligen Präsidentschaftskandidaten sich einer möglichen Unterstützung aus Moskau bewusst war. Allerdings wirft es die Frage auf, warum er zu dieser angeblichen Unterstützung keine Rückfrage an Goldstone hatte - geschweige denn, den Kontakt abbrach und die Angelegenheit den Ermittlungsbehörden meldete.

Der Schriftwechsel war laut CNN offenbar auch dem Sonderermittler Robert Mueller noch nicht bekannt und hat sein Interesse geweckt. Dass in der letzten E-Mail auch der damalige Wahlkampfleiter Paul Manafort und der aktuelle Trump-Berater und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner einbezogen waren, zieht zwei weitere Figuren aus dem Umfeld des Präsidenten mit in die Angelegenheit.

Verstoß gegen gängige Wahlkampf-Normen

Doch was genau bedeutet das für den Fortgang der Dinge? Nixons Watergate begann mit einem Einbruch; das Kern-Verbrechen im Trump-Russland-Komplex ist noch nicht identifiziert, vielleicht existiert es im strafrechtlichen Sinne gar nicht. Selbst eine "Geheimabsprache" wäre zwar eine politische Ungeheuerlichkeit, aber per se nicht unbedingt ein Vergehen.

Wer der Darstellung Trump Juniors und seiner Gesprächspartnerin, der russischen Anwältin Natalie Weselnizkaja, glauben möchte, findet in der Zusammenkunft im Trump Tower am 9. Juni kein Quidproquo, keine Übereinkunft also nach dem ökonomischen Prinzip, nach dem eine Person, die etwas gibt, dafür eine angemessene Gegenleistung erhalten soll: Das Gespräch sei ziellos gewesen, so der Trump-Sohn. Sie arbeite nicht für den Kreml, so Weselnizkaja vor Reportern. "Ich habe niemals kompromittierende und sensible Informationen über Hillary Clinton gehabt", sagte die Anwältin im Gespräch mit dem US-Sender NBC. Vielmehr habe ein Mann (offenbar Goldstone) sie im Auftrag des aserbaidschanischen Popstars Emin kontaktiert, dass Donald Trump Jr. ein Gespräch mit ihr wünsche.

Mit dem Treffen verstieß der "Don" genannte Trump-Sohn, so die vorherrschende Meinung im politischen Washington, gegen gängige Wahlkampf-Normen. Zwar ist "Oppositionsrecherche" durchaus gang und gäbe, doch die Herkunft der Informationen spielt durchaus eine Rolle. Im Jahr 2000 schaltete das Team des Präsidentschaftskandidaten Al Gore beispielsweise das FBI ein, als es anonym interne Dokumente aus dem Lager des Konkurrenten George W. Bush erhielt.

Ein ehemaliger Berater von Trumps einstigem Konkurrenten Marco Rubio twitterte, ihm hätten viele zwielichtige Figuren ungefragt Material über Konkurrenten angeboten: "Ich war nur nie so dumm, sie zu treffen."

Ab wann ist ein Gespräch illegal?

Doch was ist, wenn keine Informationen weitergegeben werden? Ein Gesetz verbietet es, im Wahlkampf Nichtamerikaner um Geldspenden oder "Dinge von Wert" zu bitten. Um dagegen zu verstoßen, müsste das Treffen folgendermaßen interpretiert werden: Das "Ich liebe es" und das Erscheinen des Trump-Juniors signalisiert eine Bitte um Unterstützung, die möglichen Informationen haben einen finanziellen Wert durch eingesparte Recherchekosten. Die US-Wahlkommission identifizierte 1990 beispielsweise bereits Umfragedaten als "Ding von Wert".

Den Demokraten nahestehende Juristen wie der ehemalige Obama-Berater Bob Bauer argumentieren für diese Auslegung, konservative Juristen wie Jonathan Turley von der George Washington University halten das Argument für konstruiert und im Endeffekt für eine Kriminalisierung von Gesprächen.

Der Tatbestand unerlaubter Verhandlungen von Trump Junior als Privatperson mit ausländischen Regierungen wiederum käme nur dann in Betracht, wenn der Anwältin Weselnizkaja nachzuweisen wäre, doch im Auftrag des Kremls gehandelt zu haben. Weselnizkaja machte regelmäßig Lobbyarbeit für die Aufhebung von US-Sanktionen gegen Russland, zuletzt anlässlich von Einreiseverboten gegen Geschäftsleute aus dem Kreml-Umfeld. Der britische PR-Mann Goldstone wiederum hat Verbindungen nach Russland, weil er den Popstar Emin Ağalarov vertritt, dessen Vater Aras ein Immobilien-Finanzier mit Verbindungen zu Trump und Putin ist.

Das Weiße Haus plant die Gegenstrategie

Solche Zusammenhänge lassen, kombiniert mit Ungereimtheiten, Raum für diverse Theorien: Goldstone schrieb in einer E-Mail, dass die Informationen von einem russischen "Staatsanwalt der Krone" gekommen seien. Diese Position gibt es in Russland nicht, das Wall Street Journal spekuliert, ob damit der Generalstaatsanwalt Juri Tschaika gemeint sein könnte, der sich ebenfalls gegen US-Sanktionen einsetzte.

Das progressive Lager weist wiederum auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Verabredung des Treffens am 7. Juni und einer am gleichen Tag angekündigten Pressekonferenz Donald Trumps hin. In dieser wolle er brisante Informationen über Hillary Clinton veröffentlichen, so das Versprechen. Der Auftritt erhielt nach dem Massaker in einem Homosexuellen-Nachtclub in Orlando, bei dem 49 Menschen getötet wurden, ein anderes Thema. Im Juni und Juli begannen schließlich auch die Wikileaks-Veröffentlichungen der E-Mails von Clinton-Berater John Podesta.

Am Dienstagabend trat Donald Trump Jr. auf freundlichem Terrain auf, um sich zu rechtfertigen: Dem Fox-Moderator und erklärten Trump-Unterstützer Sean Hannity sagte er, das Treffen sei "20 Minuten Zeitverschwendung" gewesen. Er könne ja nichts dafür, wenn er angeschrieben werde. Allerdings hätte er im Rückblick "einige Dinge ein bisschen anders gemacht". Seinem Vater, der sich am gleichen Tag im Trump Tower aufhielt, habe er nichts von dem Treffen gesagt.

Diese Aussage deckt sich mit dem, was die Anwälte des US-Präsidenten erklären. Die berühmte Watergate-Frage "Was wusste der US-Präsident und wann wusste er es?" ist allerdings noch lange nicht beantwortet, lässt sich der Regierung in der Angelegenheit doch ein Glaubwürdigkeitsproblem diagnostizieren: Seit der Wahl haben mit Kushner, Justizminister Jeff Sessions und dem ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn bereits mehrere Offizielle Begegnungen mit russischen Vertretern zunächst verschwiegen und dann einräumen müssen. Auch Trump Jr. hatte zunächst erklärt, der Anlass für das Treffen mit Weselnizkaja sei die Adoptionspolitik gewesen.

Trump Senior ist sauer - auf die Schlagzeilen

Sollten geheime Verabredungen tatsächlich existieren, hätte dies auch Einfluss auf eine andere Kontroverse: Die Frage, ob US-Präsident Donald Trump mit seinen Einflüsterungen auf FBI-Chef James Comey und dessen späterer Entlassung versucht hat, die Justiz zu behindern.

Im Weißen Haus, so berichtet die Washington Post, ist angesichts der Enthüllungen von einem "Hurrikan der Kategorie 5" die Rede, einem zerstörerischen Sturm also. Der US-Präsident, seit seiner Rückkehr aus Hamburg nicht größer in Erscheinung getreten, sei eher auf die Schlagzeilen sauer als auf seinen Sohn.

In der Regierung fahnde man fieberhaft nach dem Maulwurf, der die Existenz der E-Mails nach außen gegeben habe, lässt das Weiße Haus streuen. Laut New York Times hatten Anwälte von Jared Kushner die belastenden E-Mails entdeckt und daraufhin einen Sicherheits-Fragebogen aktualisiert, was im politischen Washington wiederum Spekulationen über das Verhältnis zwischen Kushner und seinem Schwager Trump Jr. ins Kraut schießen lässt.

Kriminelle Bereitschaft oder Unfähigkeit?

Als PR-Gegenstrategie, so heißt es in US-Medien, wolle das Trump-Lager nun Schwächen der recherchierenden Journalisten suchen und auch Hillary Clintons Verwicklungen wieder thematisieren. Einmal mehr ist von Personalwechseln die Rede, Trump soll zudem mit seinem Anwalt unzufrieden sein.

Dieses nie endende Chaos rund um das Oval Office ist es auch, das bei Trump-Skandalen neben skrupelloser böser Absicht eine zweite Erklärung plausibel erscheinen lässt: die akute Unfähigkeit politischer Amateure. Ganz unabhängig von solchen Bewertungen (die ja beide wahr sein können) hat das Trump-Lager allerdings mit der Bereitschaft, im Wahlkampf die Unterstützung von ausländischen Regierungen anzunehmen, eine weitere bislang gültige politische Norm gebrochen - womöglich sogar ohne direkte Konsequenzen.

Von den Republikanern im Kongress ist derzeit zumindest kein Gegenwind zu erwarten. Kein Wunder: Trumps Zustimmung unter Parteigängern liegt seit Monaten fast unverändert bei mehr als 80 Prozent.

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