Überwachung in Russland:Das Anti-Terror-Paket, das selbst dem Kreml zu scharf war

Whatsapp und Telegram müssen russischen Behörden ihre Entschlüsselung öffnen, auf extremistische Postings stehen sieben Jahre Haft: Ein Oppositioneller sagt, es gehe "um die Vernichtung derjenigen, die mit der Regierung nicht einverstanden sind".

Von Frank Nienhuysen

Das russische Parlament hat ein heftig umstrittenes Antiterrorpaket verabschiedet, das dem Staat eine noch stärkere Kontrolle seiner Bürger ermöglicht. So werden die russischen Telekommunikations-Anbieter dazu verpflichtet, künftig bis zu drei Jahre lang Verbindungsdaten zu speichern, konkrete Daten wie Telefonate, Emails und Videos müssen bis zu einem halben Jahr gespeichert werden. Auch Strafen sieht das Antiterrorpaket vor. Dienste wie Whatsapp und Telegram könnten künftig bis zu eine Million Rubel (knapp 14 000 Euro) bezahlen müssen, wenn sie dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB die Herausgabe von Entschlüsselungen verweigern.

Das Gesetzespaket hat auch das Strafmaß für die Beteiligung, Finanzierung und Vorbereitung von terroristischen Verbrechen sowie den Aufruf zum Terror um jeweils mehrere Jahre erhöht, zum Teil wurde das Strafmaß sogar verdoppelt. Wer Terror im Netz ideologisch rechtfertigt, dem droht in Zukunft eine Gefängnisstrafe von bis zu sieben Jahren. Zusätzlich hat die Duma, die untere russische Parlamentskammer, das Alter herabgesetzt, ab dem man strafrechtlich belangt werden kann. Jugendliche können demnach schon mit 14 Jahren für die Teilnahme an Terrorlagern verantwortlich gemacht werden. Bisher lag die Altersgrenze bei 16 Jahren.

Kritiker werten das neue Gesetz als weiteren Eingriff in die bürgerlichen Rechte

Das Antiterrorpaket hatte die Leiterin des Duma-Ausschusses für den Kampf gegen Korruption und Terrorismus, Irina Jarowaja, zusammen mit dem Senator Viktor Osjorow eingebracht - in Russland bekannt wurde es jedoch nur unter dem Namen "Jarowaja-Paket". Besonders umstrittene Passagen wurden auf Anordnung des Kremls noch in letzter Minute aus den Entwürfen gestrichen - so berichteten russische Medien.

Für große Diskussion hatte etwa gesorgt, dass Russen mit doppelter Staatsbürgerschaft bei bestimmten Straftaten schnell ihre russische Staatsangehörigkeit und das Recht auf Ausreise verlieren sollten. Kritiker werteten das Antiterrorpaket aber auch ohne diese Passagen als weiteren Eingriff in die bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Der unabhängige Duma-Abgeordnete Dmitrij Gudkow sagte, es gehe dabei faktisch "um die Vernichtung derjenigen, die mit der Regierung nicht einverstanden sind".

Kurz vor der russischen Parlamentswahl Mitte September will der Staat auch die religiösen Aktivitäten der Bürger schärfer kontrollieren. Verboten wird nun jede "missionarische Tätigkeit", die das Ziel habe, "die gesellschaftliche Ordnung und Sicherheit zu zerstören", "verpflichtende Bildung zu verhindern" oder zum Selbstmord zu verleiten. Was das konkret bedeutet, liegt weitgehend im Ermessen der russischen Behörden.

Die Abgeordnete und Mitinitiatorin der Antiterrorgesetze, Jarowaja, gilt als Hardlinerin im russischen Parlament. Sie hatte bereits im Jahr 2012 ein Gesetz vorangetrieben, dass Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, dazu zwingt, sich beim Justizministerium als "ausländischer Agent" registrieren zu lassen.

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