Russland:Putins Machtrochade stößt auf Kritik

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Der geplante Ämtertausch in Russland zwischen Präsident Medwedjew und Ministerpräsident Putin wird auf dem Parteitag in der Luschniki-Halle mit viel Getöse bejubelt. Doch nicht nur in Deutschland wird auch Kritik laut an der Machtrochade - selbst ein enger Berater Medwedjews hat nur beißenden Spott übrig.

In der Luschniki-Halle haben die Massen getobt, doch die Jubelstürme auf dem Partei der Partei Geeintes Russland täuschen nicht darüber hinweg: Die angekündigte Machtrochade in Moskau, die Wladimir Putin wieder zum Präsidenten des Landes machen soll, stößt in Russland aber auch in Deutschland auf demonstrative Zurückhaltung und vorsichtige Kritik.

Bundeskanzlerin Angela Merkel habe den Vorschlag zur Kenntnis genommen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Samstag. "Die Bundeskanzlerin hat mit Präsident Dmitrij Medwedjew sehr gut zusammengearbeitet und wird das auch mit jedem anderen Präsidenten tun, denn Deutschland und Russland verbindet eine strategische Partnerschaft." Abgesehen davon sei die Präsidentenwahl eine nationale russische Entscheidung.

Deutlicher wurden einige Parlamentarier. "Dies zeigt, dass Russland noch ein gutes Stück von offenen, demokratischen Wettbewerben um das Präsidentenamt entfernt ist", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, der Nachrichtenagentur Reuters.

"Selbst wenn Putin der Favorit für die russische Präsidentschaft ist, muss er faire und offene Wahlen ermöglichen", mahnte auch der außenpolitische Sprecher der SPD, Rolf Mützenich.

Russlands amtierender Präsident Dmitrij Medwedjew hatte zuvor seinen Vorgänger Putin offiziell als Kandidat für die Präsidentenwahl im März kommenden Jahres vorgeschlagen. Im Gegenzug schlug Putin Medwedjew als Spitzenkandidaten für die Parlamentswahl am 4. Dezember 2011 vor.

Die Grünen-Sprecherin für Osteuropa-Politik, Marieluise Beck, warnte, die angekündigte Rochade verheiße für das Land "nichts Gutes". "Die Politik Putins steht für Stagnation und Absicherung des Status quo", teilte sie mit. Rechtsstaatliche Reformen und ein Ende der Korruption seien deshalb auch in einer dritten Amtszeit Putins nicht zu erwarten.

Polenz und Mützenich betonten, dass sie ebenfalls keine Richtungsänderung der russischen Politik erwarteten. "In der realen Machtverteilung hatte Putin auch als Ministerpräsident Gewicht in Russland", sagte der CDU-Politiker Polenz. Die nun verkündete Kandidatur sei zudem keine Überraschung, weil seit Ausscheiden Putins aus dem Präsidentenamt über eine Rückkehr spekuliert worden war.

"In der Luschniki-Halle sollte man lieber Eishockey spielen"

Auf dem Parteitag der russischen Regierungspartei hat es denn auch nur ein einziger Abgeordneter gewagt, gegen die von Medwedjew und Putin angekündigte künftige Machtaufteilung zu stimmen. Für Putins Vorschlag, dass Medwedjew bei der Parlamentswahl im Dezember Spitzenkandidat von Geeintes Russland und damit neuer Regierungschef sein soll, stimmten am Samstag in Moskau 582 Delegierte. Enthaltungen gab es keine - aber eine mysteriöse Gegenstimme.

Offensichtlich überrascht von der Kaltschnäuzigkeit des einen Abgeordneten rief Putin: "Wo ist diese Person? Wo ist der Dissident?" Als sich niemand im Plenum zu erkennen gab, sagte der Regierungschef: "Zu schade. Er hätte sein Gesicht zeigen sollen."

Mit offener Verbitterung hingegen hat einer der engsten Mitarbeiter Medwedjews auf die wahrscheinliche Rückkehr Putins in den Kreml reagiert. "In der Tat, das ist kein Grund zur Freude", schrieb der einflussreiche Präsidentenberater Arkadi Dworkowitsch am Samstag bei Twitter. Der 39-Jährige war dem Parteitag der Regierungspartei Geeintes Russland im Sportpalast in Moskau demonstrativ ferngeblieben. "In der kleinen Luschniki-Halle sollte man lieber Eishockey spielen", verkündete er und fügte hinzu: "Es ist an der Zeit, auf einen Sportkanal umzuschalten."

© Reuters/dpa/dapd/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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