Russland: Putin und Medwedjew:Bildstörung im Kreml

Präsident Medwedjew entlässt Putins wichtigsten Medien-Lenker Michail Lesin. Die einen sehen das für Medwedjews Stärke - die anderen als Beförderung für einen gewieften Geschäftsmann.

Sonja Zekri, Moskau

Man muss das mögen: die betonfrisierten Nachrichtensprecher im Zahnspangenalter, die kritiklose Übertragung ödester Politikerreden. Die schlechten Serien. Den Pennäler-Humor. Die Gewaltdarstellungen. Das Blabla.

Russland: Putin und Medwedjew: Michail Lesin (links) war Putins wichtigster Medienlenker. Präsident Medwedjew hat ihn gefeuert - angeblich wegen krummer Geschäfte.

Michail Lesin (links) war Putins wichtigster Medienlenker. Präsident Medwedjew hat ihn gefeuert - angeblich wegen krummer Geschäfte.

(Foto: Foto: Reuters)

Michail Lesin mag das russische Fernsehen nicht nur, er hat es geschaffen. Lesin hat unabhängige Sender wie TW-6 oder TWS zum Schweigen gebracht und den Coup gegen die mächtige "Media-Most" des Oligarchen Wladimir Gussinskij geführt. Er ist die "graue Eminenz" des gelenkten Bildschirms, oder, wie das nationale Rundfunkforschungszentrum im Jahr 2002 neutral festhielt, die "einflussreichste Persönlichkeit des russischen Rundfunks". Fünf Jahre lang war Michail Lesin Presseminister, zuvor Generaldirektor der staatlichen Agentur Ria, danach Berater Präsident Wladimir Putins, zuletzt Dmitrij Medwedjews.

Zweifelhafte Geschäftsreisen

Dieser hat ihn nun entlassen. Lesin, der Anfang der Neunziger die erfolgreiche Werbe-Firma "Video International" gegründet hatte, habe gegen "die ethischen Regeln" eines Staatsbeamten verstoßen, insinuiert eine Kreml-Quelle, er habe Business und Amt nicht getrennt, sondern sei "demonstrativ" seinen Geschäftsinteressen nachgegangen, habe zweifelhafte Geschäftsreisen unternommen und sei Monate nicht im Büro gewesen. Da sei dem Präsidenten der Kragen geplatzt.

Man habe Lesin - wie in Mafia-Kreisen üblich - "einen Rat gegeben, den er nicht abschlagen konnte". Russische Medien sprechen von der "ersten wichtigen Personalentscheidung" in Medwedjews Amtszeit. Ist das der erhoffte Befreiungsschlag? Für Medwedjew? Für das Fernsehen? Nur: Warum Lesin?

Erhöhte Spekulationsbereitschaft

Lesins plötzlicher Abgang fällt in eine Zeit erhöhter politischer Spekulationsbereitschaft. Der Berater sei Putins Mann gewesen, nun verjage Medwedjew alte Maulwürfe, lautet die freundlichste Lesart. Das Ganze habe mit Umstrukturierungen in der Medienbranche zu tun, sagen andere.

Zwei der letzten, zumindest gelegentlich kritischen Sender, der winzige Kanal Ren-TV und der Petersburger Kanal "Pjatyj", sollen umgebaut werden und möglicherweise näher an den englischsprachigen Staatssender "Russia-Today" rücken. Lesin könnte diesen Umbau leiten, heißt es. Sein Abgang sei nur der Auftakt für eine Beförderung.

"Video International" schwört in der Zeitung Wedomosti Stein und Bein, dass Firmengründer Lesin sich längst aus dem Geschäft verabschiedet habe. Er plane Größeres, denke an Typographien, Studios, Fernsehkanäle. Ist das der Grund? Das Blatt bleibt skeptisch: "Seltsam, dass der Kreml erst jetzt bemerkt, dass seine Beamten nebenbei Geschäfte machen."

"Eher schlechtes Zeichen"

Dem Politologen Andrej Rjabow vom Moskauer Carnegie-Zentrum ist das alles noch viel zu rosig gedacht: "Natürlich versucht Medwedjews Team, jede winzige Entscheidung zum gewichtigen Schritt hochzujubeln, der den Präsidenten angeblich stärker und unabhängiger macht", sagt er. "In Wahrheit ist es eher ein schlechtes Zeichen, wenn ein so erfahrener Manager wie Lesin die Kreml-Mannschaft verlässt."

Mit seinen Modernisierungsappellen und visionären Internet-Botschaften habe Medwedjew so gigantische Erwartungen geweckt, dass "nicht einmal ein Medienkünstler wie Lesin die Kluft zwischen Versprechen und Wirklichkeit überbrücken kann", sagt Rjabow. Aber Lesin könnte wiederkommen: Kurz vor dem Ende von Medwedjews Amtszeit 2012, um die Kampagne für die Rückkehr von Wladimir Putin zu betreuen.

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