Russland:Obama von der Wolga

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Mit Stereotypen auf Stimmenfang: Joakim Krima will Bezirkschef im russischen Srednjaja Achtuba werden - als erster Schwarzer. Doch der Putin-Anhänger trifft in Russland auf Ressentiments.

Frank Nienhuysen

Joakim Krima findet sich selber interessant, und so will er unbedingt noch etwas loswerden am Ende des Telefongesprächs: "Warten Sie, eine Sache noch. Ich schreibe an einem Buch über mein Leben, 252 Seiten sind schon fertig, etwa 300 sollen es werden."

Joakim Krima (links im Bild) ist Anwärter auf den Bezirkschef-Posten im russischen Srednjaja Achtuba. (Foto: Foto: dpa)

Um Stoff für die übrigen Seiten muss sich der Russe keine Sorgen machen, vor allem, wenn er am Sonntag die Wahl gewinnt. Es geht nicht um das Präsidentenamt und auch nicht um einen Gouverneursposten. Krima, 37 Jahre alt, will bei der Wahl im russischen Srednjaja Achtuba neuer Bezirkschef werden. Er wäre der erste Schwarze in einem solchen Amt.

Handel für Wassermelonen

Krima stammt aus Guinea-Bissau, vor 20 Jahren kam er wie viele Afrikaner in die Sowjetunion. Er studierte an der Pädagogischen Staatsuniversität von Wolgograd, heiratete und begann an der Wolga einen Handel für Wassermelonen.

Krima will den heruntergekommenen Landkreis herausputzen, Straßen bauen, Gasleitungen legen, Investoren in die Region locken und die Korruption bekämpfen. Manche halten dies für eine verwegene Kandidatur. "Ich solle zurück nach Afrika gehen, sagten sie zu mir, 'Dein Platz ist nicht hier', aber wo ist es nicht schwierig für Schwarze?"

Dann räumt er ein, dass es in Russland durchaus noch schwieriger ist als anderswo. Angriffe gegen Schwarze sind fast zu einem täglichen Phänomen geworden, also versucht Krima dagegenzuhalten. Er setzt Stereotypen ein, spielt mit ihnen, verspricht den Wählern schmunzelnd, "ich werde für Euch arbeiten wie ein Neger", und scheint dabei erfolgreich zu sein. Bei einem Internet-Chat, an dem auch seine Konkurrenten teilnahmen, entspann sich ein Dialog vor allem zwischen den Wählern und Krima.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wen Joakim Krima nach einem möglichen Wahlsieg besuchen will.

Russische Medien nannten ihn bereits wahlweise den russischen Obama oder den Obama von der Wolga, und er selber kokettiert damit, nach seiner Wahl nach Amerika fliegen zu wollen und dem US-Präsidenten zu berichten von seinem Sieg in der russischen Provinz. Wenn ihm dies überhaupt gelingt. "In den Umfragen liege ich recht gut", sagt er selbstbewusst. Und das ist auch den Mächtigen in Srednjaja Achtuba nicht entgangen.

Offiziell unabhängiger Kandidat

Eigentlich ist Krima ein Mann der Putin-Partei Einiges Russland, und so schwelgend spricht er auch über den russischen Ministerpräsidenten. "Putin hat das Land verändert, es deutlich gestärkt, ihm ist der Boom zu verdanken. Ich weiß noch genau, wie es aussah in Russland, als ich damals hierher kam."

Dass Krima trotzdem bei der Wahl offiziell als unabhängiger Kandidat antritt, liegt womöglich daran, dass er Protestwähler binden soll, ohne den Sieg des Regierungskandidaten zu gefährden, wie örtliche Medien spekulieren. Der Zugang zu den Medien, sonst oft ein Steuerungsinstrument der Mächtigen, stand ihm offen. Mit seiner wachsenden Popularität aber hat wohl niemand gerechnet.

Auf Fragen nach den Umständen seiner Kandidatur weicht er aus, und warum nun plötzlich in Srednjaja Achtuba sogar ein zweiter schwarzer Kandidat für den Bezirksrat antritt, will er auch nicht erklären. "Das müssen Sie ihn schon selber fragen." Krima ist vorsichtig geworden. Er scheint die Vorwürfe nicht wiederholen zu wollen, die er schon einmal gemacht hat. Dass nämlich Filip Kondratjew, Sohn eines ghanaischen Vaters und einer russischen Mutter, auf Betreiben des amtierenden Bürgermeisters ins Rennen geschickt worden sei, um ihm entscheidende Stimmen abzunehmen. Krima sagt nur, "Kondratjews Umfragewerte sind nach Meinung der Soziologen ziemlich niedrig. Ich werde am Sonntag gewinnen."

© SZ vom 9.10.2009/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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