Russland:Mordanklage nach 17 Jahren

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Die russische Justiz geht erneut gegen den ehemaligen Öl-Oligarchen Michail Chodorkowskij vor.

Von Julian Hans, Moskau

Zwei Jahre nach seiner Begnadigung durch den Präsidenten Wladimir Putin hat die russische Justiz erneut Anklage gegen den ehemaligen Öl-Oligarchen Michail Chodorkowskij erhoben. Das Ermittlungskomitee in Moskau wirft dem 52-Jährigen vor, vor 17 Jahren zwei Morde in Auftrag gegeben zu haben. Es gebe neue Beweise, dass Chodorkowskij hinter dem Mord an Wladimir Petuchow stehe, teilte die Behörde am Freitag mit.

Der Bürgermeister der Stadt Neftejugansk wurde 1998 erschossen. Vorher hatte es Streit mit Yukos über Steuerzahlungen an die Stadt gegeben. Außerdem soll Chodorkowskij laut den Ermittlern hinter dem Mordversuch gegen den Manager Jewgenij Rybina stehen, bei dem 1999 dessen Leibwächter getötet wurde.

Chodorkowskij, der inzwischen in Großbritannien lebt, hatte eine Vorladung zur Anklageerhebung abgelehnt und ausrichten lassen, er werde sich "an dieser Farce nicht beteiligen". Dass die alten Vorwürfe nun wieder hervorgeholt werden, führt er auf sein Engagement gegen Putin zurück.

In zwei Prozessen waren Chodorkowskij und sein Geschäftspartner Platon Lebedew 2005 und 2010 wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt worden. Yukos, seinerzeit größter Ölkonzern der Welt, wurde zerschlagen und in den staatlichen Energiekonzern Rosneft überführt. Chodorkowskij verbüßte zehn Jahre in russischen Lagern. Sein Geschäftspartner Lebedew kam ebenfalls nach mehr als zehn Jahren im Januar 2014 frei. Die Verfahren wurden international als politisch motiviert kritisiert, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und das internationale Schiedsgericht in Den Haag sprachen den ehemaligen Aktionären Schadensersatz von 1,9 und 50 Milliarden Dollar zu. Chodorkowskij ist seit 2004 nicht mehr Aktionär.

Wegen des Mordes an Petuchow wurden bereits der einstige Sicherheitschef von Yukos, Alexej Pitschugin, und der Top-Manager Leonid Newslin verurteilt. Beide beteuern ihre Unschuld. Obwohl der Mord in drei Prozessen verhandelt wurde, war Chodorkowskij nie unter den Beschuldigten. Allerdings gab es immer wieder Drohungen, die Ermittlungen auf ihn auszuweiten. Vor der Urteilsverkündung im zweiten Yukos-Prozess sagte Wladimir Putin öffentlich, Chodorkowskij habe "die Hände bis zu den Ellbogen im Blut".

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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