Russland:Milliardäre in Panik

File: Deripaska, Russian Billionaire To Global Outcast

Auf der Sanktionsliste: der Oligarch Oleg Deripaska.

(Foto: Andrey Rudakov/Bloomberg)

Seit die US-Regierung neue Sanktionen gegen die russische Wirtschaft verhängte, verlieren die Oligarchen viel Geld. Doch Moskau verspricht Kompensation.

Von Julian Hans, Moskau

Eine Weile sah es so aus, als habe die russische Wirtschaft das Schlimmste überstanden nach dem Einbruch der Energiepreise und dem Absturz des Rubels vor drei Jahren. Doch nach einem Jahr der Stagnation ist seit Anfang der Woche die Krise zurück. Am Dienstag setzten die Kurse an der Moskauer Börse ihren Sinkflug fort, Dollar und Euro verteuerten sich. Auch an den Börsen in London und Tokio fielen die Aktien russischer Konzerne.

Seitdem die US-Regierung am vergangenen Freitag neue Sanktionen gegen ausgewählte Wirtschaftsbosse und Unternehmen verhängte, herrscht Panik. Internationale Konzerne überdenken ihre Beteiligungen. Glencore-Chef Ivan Glasenberg legte am Dienstag seinen Sitz im Verwaltungsrat des Aluminium-Konzerns Rusal nieder. Der größte Rohstoff-Händler der Welt mit Sitz in der Schweiz ist mit fast neun Prozent an dem russischen Aluminium-Produzenten beteiligt. Ob er seine Anteile behält, ist unklar.

Die Sanktionen des US-Finanzministeriums verbieten den betroffenen Personen nicht nur die Einreise und frieren ihren Besitz in den Vereinigten Staaten ein. Sie verbieten auch Geschäfte mit ihnen und anderen Unternehmen auf der Sanktionsliste. Wer dagegen verstößt, droht ebenfalls unter Sanktionen zu fallen. Der Aluminium-Konzern Rusal gehört zum Firmen-Geflecht des Oligarchen Oleg Deripaska, dem vorgeworfen wird, während des US-Wahlkampfes als Mittelsmann zwischen Moskau und Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort aufgetreten zu sein.

Deripaska ist nur der prominenteste Betroffene. Die Aktien seiner Holding En+ Group verloren am Montag an der Londoner Börse 42 Prozent. Rusal büßte an der Börse in Hongkong die Hälfte seines Wertes ein. Die allgemeine Verunsicherung zieht auch Personen in Mitleidenschaft, die gar nicht auf der Sanktionsliste stehen. Nach Berechnungen der Agentur Bloomberg gehörte neben Deripaska der Milliardär Wladimir Potanin zu den größten Verlierern. Sein Konzern Norilsk Nickel verlor am Montag fast 15 Prozent seines Börsenwertes, was einem Verlust von fast 2,3 Milliarden Dollar für Potanin entspricht. Sein Name steht nicht auf der Sanktionsliste, gleichwohl wird spekuliert, wen es als nächstes erwischen könnte.

Im Fernsehen konnten die Russen am Montagabend erfahren, dass die 50 reichsten Männer des Landes an einem Tag insgesamt zwölf Milliarden Dollar verloren hätten. Gleichzeitig kündigte die Regierung an, die Verluste der Milliardäre zu kompensieren. Dazu sollten unter anderem eigene Offshore-Zonen geschaffen werden, in das reiche Russen Vermögen aus dem Ausland in Sicherheit bringen können, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen.

Die Pläne zur Kompensation für Sanktionsopfer mit Milliardenvermögen fallen in eine Zeit, in der die Realeinkommen fallen und die Armut im Land wächst. Nach offiziellen Angaben gelten etwa 23 Millionen der 143 Millionen Menschen in Russland als arm. Der Nationale Reservefonds, der die russische Wirtschaft teilweise über die letzte Krise gerettet hatte, ist seit Anfang des Jahres aufgebraucht.

Wegen der Kursverluste seiner Unternehmen musste Oleg Deripaska warnen, dass er möglicherweise nicht alle Kredite wie vereinbart bedienen kann. Das zog auch die Finanzmärkte in Mitleidenschaft. Die staatliche Sberbank verzeichnete zum Wochenbeginn Verluste von 17 Prozent. Das größte Geldhaus des Landes wird als Barometer für die Konjunktur in Russland betrachtet.

Wegen des fallenden Rubels kündigten Einzelhändler am Dienstag Preiserhöhungen für Importwaren an. Die russische Währung hat seit Wochenbeginn fast zehn Prozent gegenüber dem Dollar nachgegeben und liegt nun auf dem schwächsten Niveau seit Dezember 2016. Die Regierung bemühte sich, die Bevölkerung zu beruhigen. Regierungschef Dmitrij Medwedew erklärte bei einem Treffen mit Präsident Wladimir Putin, die Situation der russischen Wirtschaft sei "absolut stabil". Ein Kreml-Sprecher sagte, der Rubel-Sturz sei "teilweise eine emotionale Reaktion". Der Präsident sei in ständigem Kontakt mit der Regierung, die Situation sei "nicht einfach". Gleichwohl solle eine Antwort auf die Maßnahmen der USA nicht überstürzt gegeben werden.

Das Finanzministerium in Washington hatte die neuen Sanktionen mit den "andauernden und immer dreisteren bösartigen Aktivitäten der russischen Regierung überall in der Welt" begründet. Die auf der Sanktionsliste aufgeführten 24 Personen und 14 Unternehmen aus Russland unterstützten die russische Führung bei diesen Aktivitäten und würden dafür im Gegenzug bevorzugt. "Russische Oligarchen und Angehörige der Elite, die von diesem korrupten System profitieren", sollten auch die Konsequenzen aus dem "destabilisierenden Verhalten ihrer Regierung" zu spüren bekommen, sagte US-Finanzminister Steven Mnuchin.

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