Russland:Knüppel gegen Demonstranten

Nachdem Kreml-Kritiker Nawalny Premier Medwedjew der Korruption beschuldigte, protestieren Tausende Menschen in Russland.

Von Julian Hans, Moskau

Bei Demonstrationen gegen Korruption an der Staatsspitze hat es am Sonntag in Moskau nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 700 Festnahmen gegeben. Die Polizei setzte Schlagstöcke ein, Demonstranten leisteten Widerstand und versuchten, Festgenommene zu befreien. Auch in anderen Teilen des Landes kam es zu Demonstrationen, und es gab Dutzende weitere Festnahmen.

Gleich zu Beginn der Aktion im Zentrum der russischen Hauptstadt wurde der Oppositionspolitiker Alexej Nawalny von Polizisten abgeführt. Der Anti-Korruptions-Aktivist hatte zu den Protesten aufgerufen und versucht, eine Demonstration anzumelden. Nachdem die Behörden nur eine Route am Stadtrand genehmigen wollten, rief Nawalny zu einem Sonntagsspaziergang im Zentrum auf. Die Polizei zählte 7000 Teilnehmer. Die Polizei kesselte die Menge auf dem Puschkinplatz ein. In anderen Städten gab es ähnliche Aktionen, an denen jeweils mehrere Tausend Menschen teilnahmen, darunter Wladiwostok, Irkutsk, Nowosibirsk und Sankt Petersburg.

Die Teilnehmer forderten eine Reaktion der Regierung auf die Vorwürfe, die Nawalnys Stiftung zur Korruptionsbekämpfung Anfang des Monats gegen Premierminister Dmitrij Medwedjew erhoben hatte. Demnach soll dieser über ein Netz nichtkommerzieller Organisationen über fünf Luxusresidenzen, zwei Yachten, ein Weingut an der Schwarzmeerküste und eines in der Toskana verfügen. Der Wert der Residenzen, Güter und Boote übersteige eine Milliarde Dollar. Dabei handle es sich teilweise um Schenkungen von Unternehmern.

Weder von der Regierung noch vom Parlament gab es eine Stellungnahme zu den Vorwürfen. Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow sagte, der Kreml schenke den Verlautbarungen eines Vorbestraften keine Beachtung. Nawalny wird von der russischen Justiz regelmäßig mit Prozessen überzogen. Das letzte Urteil wegen Betrugs im Holzhandel wird derzeit nach einer Rüge des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte neu verhandelt.

Anders als in Südkorea, wo eine Korruptionsaffäre jüngst die Absetzung der Präsidentin Park Geun-hye zur Folge hatte, gebe es in Russland noch nicht einmal eine offizielle Reaktion, beklagte Nawalny. Während die staatlichen Medien über die Vorwürfe schwiegen, wurde das Video mit den Recherchen im Netz mittlerweile fast zwölf Millionen Mal angesehen.

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