Russland in der Krise:Milliarden für das Militär

Das andere Investitionsprogramm: Während man hierzulande Straßen und Schulen modernisieren will, kündigt Moskau den Kauf neuer Raketen, Panzer und Kampfjets an. Dies hat einen einfachen Grund.

M. Kolb

Das größte Land der Welt steckt mitten in der Krise: Die Verwerfungen der Finanzkrise haben die russische Wirtschaft schwer getroffen und die Zeiten, in denen hohe Rohstoffpreise Unmengen von Geld in die Firmenzentralen und in den Kreml spülten, sind erst mal vorbei. Trotz dieser Probleme will Russland die Modernisierung des Militärs deutlich beschleunigen und deshalb bis 2011 verstärkt investieren.

Russland in der Krise: Eine Rakete vom Typ "Iskander". Geländegängige Lastwagen tragen je zwei der Raketen, die so schnell verlegt werden können.

Eine Rakete vom Typ "Iskander". Geländegängige Lastwagen tragen je zwei der Raketen, die so schnell verlegt werden können.

(Foto: Foto: AFP)

Vom kommenden Jahr an würden die Streitkräfte mehr als 400 neue Arten von Waffen erhalten, verkündete Wladislaw Putilin, der Vizechef der Militärisch-industriellen Kommission nach einer Sitzung des Kabinetts. Die Regierung von Ministerpräsident Wladimir Putin wolle dafür stolze vier Billionen Rubel ausgeben - das entspricht 101 Milliarden Euro.

Raketen, Drohnen, Flugzeuge und Panzer

Geplant sei die Anschaffung von 48 Kampfflugzeugen, 60 Hubschraubern, 14 Kriegsschiffen, sechs Aufklärungsdrohnen, 300 Panzern und mehr als 2000 weiteren Fahrzeugen. Zudem würden 70 strategische Atomraketen sowie 30 Raketensysteme des Typs Iskander für die Streitkräfte gekauft.

Präsident Dimitrij Medwedjew hat gedroht, solche Raketen in die russische Region Kaliningrad (Königsberg) zu verlegen, sollten die USA weiter die Stationierung von Teilen eines Raketenabwehrschilds in Polen und Tschechien anstreben. Diese Boden-Boden-Rakete hat eine maximale Reichweite von 400 Kilometern und trifft ihr Ziel bis zu zehn Meter genau.

Bereits nach dem fünftägigen Krieg mit Georgien, bei dem auch Iskander-Raketen eingesetzt wurden, hatte der russische Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow eine radikale Militärreform angekündigt und Anfang Dezember angekündigt, die Zahl der Soldaten fast halbieren zu wollen.

Wenn sich der Zivilist Serdjukow durchsetzt, bekäme Russland eine Armee mit etwas mehr als eine Million Soldaten, die in kleineren, mobileren Brigaden zusammengefasst wären - der Georgienkrieg gilt als Modell für künftige Auseinandersetzungen.

Stärke und Schwäche der russischen Armee

Der Konflikt hatte trotz des Moskauer Siegs offenbart, dass die russische Armee über eine überholte und mangelhafte Ausrüstung verfügt. Als erste Reaktion war im September eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets um 27 Prozent beschlossen worden - auf 50 Milliarden US-Dollar. Die USA geben jedoch noch immer 15 Mal mehr für die Verteidigung aus.

Nach Einschätzung von Experten sind vier Fünftel der russischen Waffen abgenutzt und veraltet - dies gilt vor allem für die Kampfjets, die seit 30 Jahren im Dienst sind und kaum überholt wurden. Margarete Klein von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat den Zustand der russischen Armee untersucht und konstatiert unter anderem großen Nachholbedarf Moskaus in der elektronischen Kriegsführung.

Ohne Nachtsichtgeräte, Wärmebildkameras und moderne Navigationssysteme fuhren die Panzer "praktisch blind" durch die georgische Nacht. Mitunter verwendeten die Offiziere ihre eigenen Mobiltelefone für die Kommunikation. Insofern dürfte auch deutlich in den Aufbau von Glonass, dem russischen GPS-System, investiert werden.

Regierungschef Putin drängte darauf, das entsprechende Geld schnell zur Verfügung zu stellen und sehr genau auf die Qualität der neuen Waffen zu achten. Gerade in der Rüstungsindustrie grassiert die Korruption: Laut Militärstaatsanwaltschaft entstand allein in diesem Jahr durch Bestechungen ein Schaden von 2,2 Milliarden Rubel (etwa 55 Millionen Euro). Laut SWP-Expertin Klein werden Aufträge oft nicht nach Effizienzkriterien vergeben, worunter Qualität und Quantität der Waffen leiden würden.

Raketentest gescheitert

Wie anfällig die russische Rüstungsindustrie ist, zeigte sich schon einen Tag nach der Verkündung des ambitionierten Programmes: Ein Test mit der seegestützten Atomrakete Bulawa scheiterte im Nordwesten des Landes.

Wie ein Marinesprecher mitteilte, zerstörte sich die Rakete nach dem Start von einem U-Boot im Weißen Meer selbst und explodierte in der Luft. In den vergangenen Jahren sind bereits mehrmals Tests mit einer Bulawa-Rakete gescheitert. Wann die strategische Atomrakete in Dienst gestellt wird, scheint angesichts der anhaltenden und offenbar schwerwiegenderen Probleme ungewiss. Die Bulawa soll eine Reichweite von 10.000 Kilometer haben und sechs Atomsprengköpfe tragen können. Die Rakete soll jede Raketenabwehr umgehen können.

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