Russland:Festnahme von Uljukajew deutet auf Machtkampf in Moskau hin

Russland: Präsident Wladimir Putin und Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew vor zwei Jahren bei einem Gespräch im Kreml.

Präsident Wladimir Putin und Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew vor zwei Jahren bei einem Gespräch im Kreml.

(Foto: AP)
  • Die russische Justiz hat den wegen Korruptionsverdachts festgenommenen Alexej Uljukajew unter Hausarrest gestellt.
  • Der Minister steht im Verdacht, im Zusammenhang mit einem Geschäft in der Ölbranche Schmiergeld in Höhe von zwei Millionen Dollar angenommen zu haben.

Von Julian Hans, Moskau

Die überraschende Festnahme des Wirtschaftsministers nährt Spekulationen über Machtkämpfe in der russischen Führung. Nach Darstellung der Ermittler ist Alexej Uljukajew in der Nacht auf Dienstag in eine Falle getappt, als ihm zwei Millionen Dollar Bestechungsgeld übergeben wurden. Das staatliche Ermittlungskomitee wirft Uljukajew Erpressung und Annahme von Schmiergeld in besonders großem Umfang vor. Ein Gericht entschied am Dienstagabend, dass der Minister für ein Jahr unter Hausarrest gestellt wird.

Laut den Ermittlern hat Uljukajew das Geld als Gegenleistung für seine Zustimmung zu einer umstrittenen Konzernübernahme eingefordert. Im Oktober hatte sein Ministerium den Verkauf von 50,1 Prozent Staatsanteilen am Ölkonzern Bashneft an den ebenfalls staatlich kontrollierten Ölriesen Rosneft genehmigt. Als Kaufpreis wurden 330 Milliarden Rubel (4,6 Milliarden Euro) genannt. Der Aktienkauf sei nicht Gegenstand der Ermittlungen, sagt eine Behördensprecherin. Gegen Rosneft werden keine Vorwürfe erhoben.

Ein Sprecher des Kremls erklärte, Präsident Wladimir Putin sei von Beginn an über die Ermittlungen informiert gewesen. Am Abend ordnete er die Entlassung des Ministers an. Es gebe keinen Grund für einen Rücktritt der gesamten Regierung, so der Kreml-Sprecher. Die Führung des Ministeriums übernahm kommissarisch Vizeminister Jewgenij Jelin.

Minister gehört zum liberalen Flügel der Regierung

Uljukajew wird dem wirtschaftsliberalen Flügel der russischen Regierung zugerechnet, der zuletzt stark in die Defensive geraten war. Der promovierte Ökonom begann seine Karriere 1992 im Team von Jegor Gaidar als Berater der ersten russischen Reformregierung nach dem Zerfall der Sowjetunion. Von 2000 bis 2004 war er stellvertretender Finanzminister, anschließend wechselte er als Vize-Chef in die Zentralbank. 2013 ernannte Putin ihn zum Minister für wirtschaftliche Entwicklung.

Gewöhnlich hielt Uljukajew sich weitgehend aus politischen Flügelkämpfen heraus. Wenngleich er in den vergangenen Jahren bisweilen die protektionistische Politik Putins vorsichtig kritisierte, stellte er sein Wissen überwiegend loyal in den Dienst der Regierung.

Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew verlangte eine lückenlose Aufklärung der Korruptionsvorwürfe. Medwedjew habe deshalb auch mit Präsident Putin gesprochen, teilte der Pressedienst des Kabinetts mit. Der ehemalige Finanzminister Alexej Kudrin sprach von einem merkwürdigen Fall, der viele Fragen aufwerfe. Auf Twitter schrieb er: "Eine objektive Untersuchung ist unabdingbar." Kudrin gilt ebenfalls als Vertreter des liberalen Flügels. 2012 hatte er auf eine neue Amtszeit als Minister verzichtet, seitdem unterbreitet er immer wieder Alternativvorschläge zur russischen Politik, hält sich jedoch mit direkter Kritik zurück.

Dass Uljukajew tatsächlich versucht haben könnte, Rosneft zu erpressen, wird in der Moskauer Spekulationsküche kaum in Erwägung gezogen. Dagegen spricht zuerst ein übermächtiger Gegner: Rosneft wird von Igor Setschin geführt, der seit Jahrzehnten als enger Vertrauter Putins gilt und dessen Macht die eines russischen Ministers bei Weitem übersteigt. Der ehemalige Yukos-Chef Michail Chodorkowskij wirft Setschin vor, den ehemals größten Ölkonzern der Welt in Putins Auftrag zerschlagen zu haben, um ihn dann Rosneft einzuverleiben.

Zudem wirkt die Übergabe von zwei Millionen Dollar in bar für ein Korruptionsgeschäft dieser Größenordnung ungewöhnlich. Frühere Korruptionsfälle haben gezeigt, dass Zahlungen auf der Ebene von Regierungen meist unauffällig über Offshore-Konten abgewickelt werden. In den Panama Papers, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden, tauchte auch der Name von einem Sohn Uljukajews auf. Die Familie muss also mit derlei Instrumenten vertraut gewesen sein.

Regierungskritiker scherzten am Dienstag, Uljukajew habe bei anderen Beamten für Unmut gesorgt, weil er die Preise drücke; eine Summe von zwei Millionen sei für einen Deal im Wert von 50 Milliarden zu wenig. Beim letzten Korruptionsskandal im Sommer waren bei einem hochrangigen Korruptionsermittler insgesamt rund 300 Millionen Dollar gefunden worden. Uljukajew ist nun der erste amtierende Minister in der neuen russischen Geschichte, der festgenommen wurde.

Bashneft ist zwar nur Nummer sechs unter den größten Ölkonzernen des Landes, aber einer der profitabelsten. Seit Jahren wird um die Kontrolle des Unternehmens gerungen, das vorerst letzte Opfer ist nun Uljukajew. 2014 hatten die Behörden den Unternehmer Wladimir Jewtuschenkow unter dem Vorwand enteignet, Bashneft sei auf illegale Weise privatisiert worden. Schon damals wurde spekuliert, Setschin könnte dahinterstecken.

Nun sollten 50 Prozent an Bashneft wieder privatisiert werden, um den Haushalt zu stützen, der in der Krise stark unter Druck geraten ist. Den Zuschlag bekam schließlich Rosneft. Uljukajew hatte sich zunächst dagegen ausgesprochen; dass ein staatlich kontrolliertes Unternehmen ein anderes kauft, sei keine Privatisierung.

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