Russland:Ein Ministerium, so mächtig wie einst der sowjetische KGB

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Die Lubjanka - das ehemalige Hauptquartier des KGB in Moskau steht noch. Will Wladimir Putin nun wieder solch eine allmächtige Behörde formen?

(Foto: Maxim Marmur/AFP)
  • In den russischen Sicherheitsbehörden wächst seit Monaten die Nervosität.
  • Fast täglich werden neue Versionen über einen bevorstehenden Umbau des weit verzweigten Apparats an die Medien durchgestochen.
  • Medien berichten von Plänen zur Gründung eines neuen Ministeriums für Staatssicherheit (MGB), in dem Inlandsgeheimdienst FSB und Auslandsgeheimdienst SWR zusammengefasst werden sollen.

Von Julian Hans, Moskau

Es ist noch nicht so lange her, da galt Alexander Bastrykin als der neue starke Mann in der russischen Machtvertikale. Der weißhaarige Doktor der Rechtswissenschaften wirkt selbst in der blauen Uniform des Staatsanwalts mit den goldenen Generals-Schulterklappen so, also könnte er einem Beschuldigten jederzeit den Arm auf den Rücken drehen. Dass er ein Jugendfreund des Präsidenten ist, schien ihn unangreifbar zu machen; die beiden haben in einem Jahrgang an der Leningrader Universität Jura studiert. 2006 machte Wladimir Putin Bastrykin zum stellvertretenden Generalstaatsanwalt, 2011 zum Chef des neu gegründeten Föderalen Ermittlungskomitees (SKR), das eine Art russisches FBI werden sollte.

Seit diesem Sommer sieht es aber so aus, als wäre nun Bastrykin derjenige, dem die Arme verdreht werden. Das Ermittlungskomitee und sein Chef sind im Machtkampf der russischen Sicherheitsbehörden in die Defensive geraten. Am Dienstag musste Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow ein weiteres Mal Meldungen dementieren, wonach Bastrykin seinen Posten räumen und sein Ermittlungskomitee aufgelöst wird. Russische Medien hatten von einem entsprechenden Erlass des Präsidenten berichtet - eine Fälschung, wie Peskow klarstellte.

In den russischen Sicherheitsbehörden wächst seit Monaten die Nervosität. Fast täglich werden neue Versionen über einen bevorstehenden Umbau des weit verzweigten Apparats an die Medien durchgestochen. Immer geht es darum, dass die Zuständigkeiten zwischen Staatsanwaltschaft, Geheimdiensten, und Innenministerium neu aufgeteilt werden sollen. Wie das Modell am Ende aussehen könnte, darüber gibt es widersprüchliche Aussagen. Doch als ein Ziel wird - wie häufig vor Kündigungswellen unliebsamer Mitarbeiter in Sicherheitsorganen - die Bekämpfung der Korruption genannt.

Der FSB plant eine Überwachung des gesamten Datenverkehrs in Russland

Am Tag nach den Parlamentswahlen berichtete der seriöse und insgesamt regierungsfreundliche Kommersant von Plänen zur Gründung eines neuen Ministeriums für Staatssicherheit (MGB), in dem Inlandsgeheimdienst FSB und Auslandsgeheimdienst SWR zusammengefasst werden sollen. Der Föderale Sicherheitsdienst FSO, der für Bewachung, Beförderung und sichere Kommunikation von Präsident und Regierung zuständig ist, solle ebenfalls in dem neuen Super-Ministerium aufgehen. Künftig sollen MGB-Mitarbeiter in besonders bedeutenden Fällen auch die Ermittlungen von der Eröffnung des Verfahrens bis zur Anklageerhebung leiten, bisher teilten sich mehrere Behörden die Zuständigkeiten.

Damit bekäme das neue Ministerium - so es denn wirklich geschaffen wird - genau die Kompetenzen, die einst der sowjetische KGB hatte. Das würde dazu passen, dass gerade auf mehreren Ebenen Überwachung und Repression massiv verschärft werden. So plant der FSB eine Überwachung des gesamten Datenverkehrs in Russland. Verschlüsselte Verbindungen sollen mit einem Trick geknackt werden, den Hacker anwenden. Bei geschützten SSL-Verbindungen schaltet sich ein Server dazwischen, der dem Sender vortäuscht, der Empfänger zu sein und anders herum. IT-Fachleute nennen dies "Man-in-the-middle-Attacke".

Der Kommersant beruft sich in dem Bericht auf nicht namentlich genannte Informanten im Geheimdienst. Demnach sollen die Pläne noch vor den Präsidentschaftswahlen 2018 umgesetzt werden, um die Arbeit der Sicherheitsorgane effektiver zu machen. Das von Bastrykin geleitete Ermittlungskomitee, das erst 2011 als selbständige Behörde ausgegliedert wurde, solle demnach wieder unter das Dach der Generalstaatsanwaltschaft zurückkehren.

Ein solches Ministerium für Staatssicherheit sei ein "Monster", auch für Putin

Kenner des Sicherheitsapparats äußern indes Zweifel. Ein solches Ministerium für Staatssicherheit sei ein "Monster", das auch dem Präsidenten gefährlich werden könnte, urteilt Andrej Kolesnikow, Experte für Innenpolitik und politische Institutionen beim Moskauer Carnegie-Zentrum. Seit Putin die politische Bühne in Moskau betrat, habe er immer wieder neue Behörden geschaffen, wenn er mit der Arbeit der alten nicht zufrieden war oder deren Macht brechen wollte, sagte Kolesnikow dem Nachrichtenportal Meduza. Eine Verschwörung gegen den Präsidenten sei viel schwerer zu organisieren, solange viele Behörden miteinander konkurrieren.

Gegen die Zusammenlegung von Inlands- und Auslandsgeheimdienst spricht zudem, dass letzterer gerade erst einen neuen Chef bekommen hat. In der vergangenen Woche beförderte Putin Sergej Naryschkin an die Spitze des Dienstes, von Oktober an soll er Russlands Auslandsspionage leiten. Der 61-jährige Naryschkin war in der vergangenen Legislaturperiode Parlamentsvorsitzender, wegen seiner Rolle bei der Annexion der Krim steht er auf den Sanktionslisten der USA und der Europäischen Union. Unbestätigten Berichten zufolge hat Naryschkin Ende der 1970er-Jahre die KGB-Schule für Auslandsspionage durchlaufen.

Ein Anti-Korruptions-Ermittler hatte zu Hause 120 Millionen Dollar in bar

Groß angelegte Kündigungen erschüttern den Sicherheitsapparat schon seit dem Sommer. Im Juli hatte der Geheimdienst FSB eine Razzia im Moskauer Büro des SKR durchgeführt und zwei hochrangige Ermittler festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, einen bekannten Mafia-Boss gedeckt und Bestechungsgeld angenommen zu haben. Seitdem gilt Bastrykin als angezählt und der FSB als Sieger im Machtkampf zwischen den Sicherheitsbehörden. In der vergangenen Woche gab Wladimir Markin seinen Posten auf, Bastrykins Sprecher, der gerne mit Kommentaren zu allen möglichen politischen Themen vorgeprescht war, die höchstens entfernt Bezug zur Ermittlungsarbeit hatten. Auch Markin hatte zuvor Berichte über seine bevorstehende Entlassung vehement dementiert.

Ein noch härterer Schlag traf Anfang des Monats das Innenministerium. Am 10. September nahmen FSB-Ermittler Oberst Dmitrij Sachartschenko fest, Leiter der Abteilung für Korruptionsbekämpfung. Wohl aus gutem Grund: In der Wohnung seiner Schwester fanden die Fahnder 120 Millionen Dollar in bar, insgesamt soll Sachartschenko umgerechnet mehr als 300 Millionen Dollar über Offshore-Konten verschoben haben. Da die Summen selbst für einen hochstehenden Beamten enorm sind, wird vermutet, dass er das Geld im Auftrag krimineller Banden aufbewahrt hat.

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