Russland:Der ewige Putin

Russland: Um länger als vorgesehen Präsident bleiben zu können, will Wladimir Putin die Verfassung umschreiben lassen.

Um länger als vorgesehen Präsident bleiben zu können, will Wladimir Putin die Verfassung umschreiben lassen.

(Foto: Alexei Druzhinin/AP)

Während seine Popularität sinkt, spielt der Präsident mit der Verfassung. Sein Ziel: so lange zu regieren wie möglich.

Von Silke Bigalke

Die letzte Hürde läge nun eigentlich schon hinter Wladimir Putin. Der russische Präsident wollte die Bevölkerung am 22. April über seine Verfassungsänderung abstimmen lassen. Putin hat mit dieser Reform sein Werteverständnis in der Verfassung verewigt und die Gewaltenteilung geschwächt. Die Änderungen ermöglichen ihm zudem, für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren. Doch durch die Pandemie erscheint Putins politische Zukunft nun unsicherer als zuvor. Die Abstimmung musste er verschieben.

Alle anderen Schritte hatte Putin fast überfallartig durchgesetzt. Lange drehte sich die Diskussion darum, wie man Werte wie Glaube, Familie und Heldengedenken in die Verfassung aufnehmen könnte. Gleichzeitig verteilte Putin die Aufgaben der Institutionen um, stärkte das Amt des Präsidenten, schwächte die Gerichte. In letzter Minute kam er mit einer Überraschung in die Duma geeilt: Eine Abgeordnete hatte den ihr vermutlich vorgesagten Wunsch geäußert, Putins vier Amtszeiten mit der Reform auf null zu setzen. Nur so kann er 2024 und 2030 erneut antreten.

Der Präsident braucht die Abstimmung, um seinen Trick legitim aussehen zu lassen

Putin bricht damit die Regeln der alten und der neuen Verfassung. Um seinen Trick legitim aussehen zu lassen, braucht er die Abstimmung. Die ist zwar rechtlich nicht bindend, doch sie dient der Kosmetik, und Putin hat sie den Leuten versprochen. Dass das Votum ihn tatsächlich gut aussehen lässt, wird durch die Pandemie jedoch unwahrscheinlicher. Viele verlieren ihr Einkommen und womöglich ihren Job. Die Hilfen von der Regierung fallen gering aus. Putin überzeugt nicht als Führungsfigur in der Krise. Im März lagen seine Zustimmungswerte bei nur noch 63 Prozent - niedriger als der durchschnittliche Wert für die häufig unbeliebten Regionalchefs.

Zwar hat das regierungsnahe Institut Wziom am 22. April, dem geplanten Abstimmungstag, eine Umfrage veröffentlicht, wonach zwei Drittel für die Reform gestimmt hätten. Zahlen des unabhängigen Lewada-Zentrums zeigen ein anderes Bild: Mitte März waren nur 48 Prozent der Befragten für die Reform und die Nullsetzung von Putins Amtszeiten, 47 Prozent dagegen. Noch eindrücklicher ist eine Umfrage von Ende März: Darin sagten 58 Prozent, der Präsident solle nicht älter als 70 Jahre alt sein. Putin wird 2024 bereits 72.

Die Pandemie gibt nun auch der Opposition mehr Zeit, sich zu sammeln. Anfangs hatte sie darüber gestritten, ob die Verfassung von 1993 es wert sei, sie zu verteidigen. Inzwischen gab es aber mehrere Online-Petitionen gegen die Reform. Mehr als 420 Akademiker, Journalisten und Juristen unterschrieben einen öffentlichen Brief gegen den "verfassungswidrigen Staatsstreich". Und für kommende Woche haben Oppositionspolitiker einen Liveprotest auf Youtube angekündigt - für mehr Hilfen während der Pandemie und gegen die Verfassungsreform.

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