Russland:Annäherung abgebrochen

Russian President Putin and Jordan's King Abdullah attend meeting at Bocharov Ruchei state residence in Sochi

Wutausbruch statt Einigkeit: Wladimir Putin (rechts) und der jordanische König Abdullah II. in Sotschi.

(Foto: Maxim Shipenkov/Pool/Reuters)

Für Wladimir Putin ist die Türkei nun eher Feind als Partner - er unterstellt Präsident Erdoğan sogar Nähe zum IS.

Von Julian Hans

Das Treffen hätte ein Zeichen für die Einigkeit im Kampf gegen die Terrormiliz IS sein können, doch es wurde zur Plattform für einen Wutausbruch. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den jordanischen König Abdullah II. in seine Residenz in Sotschi eingeladen, um ein gemeinsames Vorgehen gegen die Kämpfer des "Islamischen Staats" abzustimmen. Jordanien ist Partner der USA in diesem Kampf, seine Luftwaffe hat nach den Amerikanern die meisten Angriffe auf Stellungen der Terroristen geflogen. Seit den Attentaten von Paris läuft eine neue Initiative, die Kräfte zu bündeln und Russland einzubeziehen. Lange hielt die vorsichtige Annäherung nicht, nach dem Abschuss der russischen SU-24 an der syrisch-türkischen Grenze steht sie schon wieder infrage.

Das Verhältnis zwischen Moskau und Ankara, das sich seit dem Beginn des russischen Einsatzes zur Stärkung des syrischen Diktators Baschar al-Assad Ende September stark abgekühlt hat, steuert nun auf einen neuen Tiefpunkt zu. Der Zwischenfall werde "ernste Konsequenzen" für die russisch-türkischen Beziehungen haben, kündigte Putin an.

Es ist noch kein Jahr her, da schien kurzzeitig eine Männerfreundschaft zwischen Putin und Erdoğan aufzublühen. Bei einem Besuch in Ankara verkündete Putin überraschend das Ende des Pipeline-Projekts South Stream. Da sich die EU querstelle, würden jährlich 63 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas über den Grund des Schwarzen Meeres künftig nicht wie geplant nach Bulgarien geliefert, sondern an die Türkei. Dort könnten es sich die Europäer dann abholen. Doch seit sich Russland in der direkten Nachbarschaft militärisch für Assad einsetzt, ist das Verhältnis rasch abgekühlt, die großen Pläne vom Tisch, und das Gas soll nun doch über die Nord-Stream-Route kommen.

Russische Parlamentarier traten am Dienstag mit ziemlich harscher Rhetorik an die Adresse Ankaras auf. Nikolai Lewitschew, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss der Staatsduma und stellvertretender Fraktionssprecher der Partei Gerechtes Russland, sprach von einem "Akt der Aggression", der "mit der Attacke auf ein anderes russisches Flugzeug im Himmel über dem Sinai vergleichbar" sei, also dem mutmaßlichen IS-Anschlag auf eine russische Passagiermaschine. Lewitschew forderte Konsequenzen. Da die Verbindungen Ankaras zum IS nun für alle sichtbar geworden seien, "kommen wir nicht umhin, die Bedrohung für unsere Staatsbürger in der Türkei zu verringern". Dafür sollten - wie zuvor nach dem Anschlag über dem Sinai - alle Flugverbindungen in die Türkei gestoppt und alle Russen von dort zurückgebracht werden. Die Türkei ist nach Ägypten das zweitbeliebteste Urlaubsland der Russen. Seit Mitte November dürfen Reiseveranstalter keine Touren nach Ägypten mehr verkaufen. Wenn das Verbot auf die Türkei ausgeweitet würde, käme das für viele Russen einem Ende ihrer Reisefreiheit nahe.

Am Mittwoch wollte Lawrow eigentlich nach Istanbul fahren, um mit der Türkei über den Kampf gegen den IS zu sprechen. Der Besuch ist abgesagt, die Annäherung damit beendet, bevor sie überhaupt richtig begann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: