Russland:Altkanzler in der Ölbranche

Gerhard Schröder in Russland

Sprach sich für die Lockerung der Sanktionen gegen Russland aus: Gerhard Schröder am Freitag in Sankt Petersburg.

(Foto: Peter Kovalev/imago/Itar-Tass)

Gerhard Schröder wird beim russischen Energiekonzern Rosneft Vorsitzender des Verwaltungsrats. Das Unternehmen, von der EU mit Sanktionen belegt, will seinen Markteinfluss in Deutschland ausbauen.

Von Julian Hans, Moskau

Bevor die Anteilseigner zur Abstimmung kamen, überhäufte Rosneft-Chef Igor Setschin seinen Kandidaten Gerhard Schröder mit Lob. Der Ex-Kanzler sei "als der deutsche Politiker in die Geschichte eingegangen, der am treusten zu Russland hält", sagte er bei der Aktionärsversammlung am Freitag in Sankt Petersburg. Mit seinem Einzug in den Verwaltungsrat werde Schröder dazu beitragen, "die Präsenz des Unternehmens in Europa auszubauen und konstruktive Beziehungen zu Partnern im Westen zu entwickeln". Trotz der zum Teil heftigen Kritik auch aus seiner Partei SPD nahm Schröder den Posten als Vorsitzender der Verwaltungsrats bei Russlands größtem Ölkonzern an.

Die genaue Bezeichnung ist die eines "unabhängigen Direktors". Der Konzern ist nach angelsächsischem Vorbild verfasst, dort gibt es die deutsche Aufteilung in Vorstand und Aufsichtsrat nicht. Einige Börsenplätze erfordern unabhängige Direktoren, damit sind Personen gemeint, die nicht als Vertreter eines Anteilseigners in den Verwaltungsrat entsandt werden. Als Wunschkandidat des Kreml dürfte Schröder allerdings im Zweifel eher der Position des absoluten Mehrheitseigners zuneigen, sprich: des russischen Staates.

Schröder ist nicht der erste Ausländer im Verwaltungsrat des Konzerns. Zwei Amerikaner sitzen dort: Donald Humphreys vom Öl-Multi Exxon-Mobil und der BP-Vorstand Robert Dudley, außerdem ein Vertreter Katars. Ein Deutscher dient dem Unternehmen ebenfalls seit vielen Jahren: Matthias Warnig, in der DDR hauptamtlich für die Stasi tätig. In dieser Rolle lernte er einst in Dresden den KGB-Kollegen Wladimir Putin kennen. Der Altkanzler und der Stasi-Veteran sind bereits ein eingespieltes Team: Warnig ist Geschäftsführer bei Nord-Stream, Schröder sitzt dort dem Verwaltungsrat vor.

Rosneft-Chef Igor Setschin gilt als der zweitmächtigste Mann in Russland

Bekommt der deutsche Altkanzler also einen mächtigen Posten, wenn er als Vorsitzender des Verwaltungsrats Igor Setschin auf die Finger schaut? Das darf man bezweifeln. Setschin gilt nach dem Präsidenten als zweitmächtigster Mann in Russland. Der Letzte, der versucht hatte, ihn zu bremsen, war der ehemalige Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew. Er sitzt gerade auf der Anklagebank wegen eines dubiosen Korruptionsverfahrens. Vor Schröder war Putins Wirtschaftsberater Andrej Beloussow Verwaltungsratsvorsitzender bei Rosneft. Auch er kritisierte die Übernahme von Bashneft. Jetzt musste er den Platz für den Altkanzler räumen.

Rosneft ist auf dreifache Weise von den internationalen Sanktionen betroffen. Anders als bisweilen angenommen, handelt es sich dabei nicht um die Strafmaßnahmen, die wegen der Krim-Annexion verhängt wurden. Die Sanktionen, die Rosneft betreffen, wurden 2014 nach dem Abschuss der Boeing über der Ostukraine verhängt. Sie gelten als Antwort auf den aus Moskau angefachten und geschürten Krieg im Donbass. Die EU verbot daraufhin unter anderem die Lieferung von Spezialtechnik, die dazu benötigt wird, schwer erschließbare Öl-Lagerstätten auszubeuten. Das betrifft Pläne von Rosneft, die Ölförderung in der Arktis auszubauen.

Noch empfindlicher trifft Rosneft, dass der Zugang zu den Finanzmärkten für russische Banken und Staatsunternehmen eingeschränkt wurde. Sie bekommen keine langfristigen Kredite mehr und können sich nur schwer refinanzieren, wenn alte Kredite auslaufen.

Der dritte Sanktionszweig trifft den Konzernchef selbst. Ende April 2014 setzte die US-Regierung Setschin auf eine Liste von Personen, denen die Einreise verboten ist und mit denen US-Bürger keine Geschäfte machen dürfen. Anders als Brüssel richtete Washington seine Maßnahmen nicht gegen Personen, die an der russischen Aggression gegen die Ukraine direkt beteiligt waren, sondern gegen Wladimir Putins direktes Umfeld. Der 56-Jährige gilt als einer der engsten Wegbegleiter des Präsidenten.

Die Aktivitäten von Rosneft in Deutschland sind von den Sanktionen kaum betroffen. Erst im Mai war Setschin in Berlin, um eine Rosneft-Niederlassung zu eröffnen. Dabei kündigte er an, die Investitionen in Deutschland zu verdoppeln - auf 600 Millionen in den nächsten fünf Jahren. Derzeit ist die Rosneft Deutschland GmbH an drei Raffinerien beteiligt, der Konzern ist damit die Nummer drei bei der Mineralölverarbeitung in Deutschland. Ein Viertel der deutschen Rohölimporte kommt von Rosneft. Um auch die Raffinerien in Süddeutschland mit russischem Öl beliefern zu können, plant Rosneft eine Verlängerung der Druschba-Pipeline.

In Russland hat Setschin den Spitznamen Darth Vader, und die Liste von Personen und Unternehmen, die sich als Opfer seiner scheinbar unbeschränkten Macht sehen, ist lang. Dazu gehören nicht nur Putin-Gegner wie der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowskij, der 2003 für zehn Jahre ins Lager musste. Mit Hilfe von Steuerbehörden und Justiz wurde sein Konzern erst in den Bankrott getrieben und anschließend zerschlagen. Die Filetstücke des seinerzeit weltgrößten Ölproduzenten landeten über Umwege bei Rosneft. Der heute im Londoner Exil lebende Ex-Oligarch wirft Setschin vor, die Operation geplant und geleitet zu haben.

Derzeit steht einer vor Gericht, der Putin viele Jahre treu als Wirtschaftsminister gedient hat: Alexej Uljukajew wurde 2016 in der Moskauer Rosneft-Zentrale festgenommen. Er soll dort zu später Stunde eingetroffen sein, um zwei Millionen Dollar in bar abzuholen als Entschädigung für seine Zustimmung zu einer Firmenübernahme. Am nächsten Tag entließ Putin den Minister. Uljukajew sieht sich als Opfer einer Inszenierung von Setschin und dem Geheimdienst FSB. Es war das erste Mal in der neueren russischen Geschichte, dass ein Minister im Amt verhaftet wurde.

Ebenfalls kein Putin-Gegner ist der Unternehmer Wladimir Jewtuschenkow. 2009 erwarb seine Investment-Holding AFK Sistema den Ölproduzenten Bashneft. 2014 ließ die Staatsanwaltschaft Jewtuschenkow überraschend festnehmen. Angeblich war die Privatisierung von Bashneft nicht sauber abgelaufen; diese war allerdings Jahre früher erfolgt, bevor Sistema das Unternehmen kaufte. Jewtuschenkow gab Bashneft an den Staat zurück und wurde aus dem Hausarrest entlassen. Der Staat verkaufte die Anteile an Rosneft.

Obwohl sich Rosneft in den vergangenen Jahren immer wieder Konkurrenten einverleibte, sinkt der Börsenwert des Unternehmens stetig. Von 131 Milliarden im Jahr 2008 auf derzeit etwa 56 Milliarden. Auf lange Sicht würden durch das rücksichtslose Vorgehen Investoren vom russischen Markt "effektiver ferngehalten als durch jegliche Sanktionen, die eine fremde Regierung verhängt", urteilte der Ökonom Wladislaw Inosemzew kürzlich in einem Artikel für das russische Portal Republic.ru.

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