Russland-Affäre:Geheimer Brief verrät offenbar, warum Trump Ex-FBI-Chef wirklich feuerte

James Comey

Mit Rauswürfen kennt sich US-Präsident Donald Trump aus, jahrelang kegelte er mit den Worten "You're fired!" Bewerber aus seiner Casting-Show "The Apprentice". Die Entlassung von FBI-Chef James Comey löste ein politisches Beben aus.

(Foto: Carolyn Kaster/AP)

Ein Schreiben des US-Präsidenten soll Aufschluss über die wahren Gründe von Comeys Entlassung geben. Und Sonderermittler Mueller durchlöchert Trumps wichtigsten Schutzschild.

Von Thorsten Denkler, New York

Der Brief ist wieder nur ein kleines Puzzle-Stück in den inzwischen recht umfangreichen Ermittlungen von US-Sonderermittler Robert Mueller zur Russland-Affäre. Aber eines, das den Verdacht nährt, dass US-Präsident Donald Trump sein Amt missbraucht haben könnte, um seine eigene Person zu schützen. New York Times und Washington Post haben am Freitagabend über ein Schriftstück berichtet, das Trump zusammen mit seinem Berater Stephen Miller kurz vor dem 9. Mai als Entwurf verfasst haben soll. Am 9. Mai feuerte der US-Präsident den damaligen FBI-Chef James Comey.

Der Brief enthält angeblich eine Liste mit Gründen, die Trump veranlasst haben sollen, Comey zu entlassen. Das Schriftstück liegt den Journalisten beider Zeitungen nicht vor. Aber sie haben sich von Personen, die den Brief kennen, den Inhalt erklären lassen. Wer diese Personen sind, lassen sie offen.

Brief der Briefe

Unter anderem gibt Trump in dem Brief dies als Entlassungsgrund an: Comey sei nicht bereit gewesen, öffentlich zu erklären, dass Trump nicht persönlich Gegenstand seiner Ermittlungen sei. Das war damals schon als einer der Hauptgründe für Comeys-Entlassung angenommen worden. Der Brief untermauert die Annahme.

Comey hat bis zu seiner Entlassung die Einflussnahme Russlands auf die US-Wahl 2016 untersucht. Und sich in diesem Zusammenhang auch die engen Verbindungen von Personen aus Trumps Wahlkampfteam in russische Regierungskreise näher angesehen.

Der Brief liegt jetzt offenbar Sonderermittler Mueller vor. Für ihn dürfte er von erheblichem Interesse sein. Widerspricht er doch diametral der späteren Darstellung aus dem Weißen Haus, Comey sei allein wegen seiner angeblichen Versäumnisse in der E-Mail-Affäre um Hillary Clinton entlassen worden. Mueller wird jetzt noch mehr Gründe sehen, seine Ermittlungen auch auf Trump zu konzentrieren.

Nur auf Drängen eines Rechtsberaters im Weißen Haus sei der Trump/Miller-Brief nicht als offizielles Entlassungsschreiben an Comey gesandt worden, schreiben New York Times und Washington Post. Stattdessen wurde eine komplexe Brief-Kaskade in Gang gesetzt:

  • Der stellvertretende Justizminister Rod Rosenstein wurde angehalten, eine negative Bewertung von Comeys Arbeit in der E-Mail-Affäre zu verfassen. Und dieses Memorandum umgehend an Justizminister Jeff Sessions zu schicken.
  • Dieser schloss sich in einem weiteren Schreiben der Argumentation Rosensteins an. Verbunden mit der Empfehlung, Comey zu entlassen.
  • Trump wiederum schrieb dann Comey, dass er der Empfehlung von Sessions nachkomme. Konnte es aber nicht lassen zu erwähnen, dass Comey ihm dreimal versichert habe, nicht Gegenstand der Ermittlungen zu sein.

Das alles geschah am 9. Mai.

Hinterher galt Rosenstein als der Dumme, der sich von Trump hat benutzen lassen. Rosenstein wollte das offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Er bestellte FBI-Urgestein Mueller zum Sonderermittler. Das konnte er, weil sich Sessions schon vorher aus der Aufsicht über die Ermittlungen zurückgezogen hatte. Wegen seiner eigenen Kontakte nach Russland war Sessions befangen. Trump nimmt ihm bis heute übel, dass er sich von den Ermittlungen zurückzog. In mehreren Tweets musste sich Sessions deswegen von Trump beschimpfen lassen.

Mueller hat jetzt neues Druckmittel gegen Trump-Vertraute

Sollte Trump eine - wenn auch nur klitzekleine Rolle - in der Russland-Affäre gespielt haben, dann scheint Mueller jetzt alles daran zu setzen, dafür Belege zu finden. Dafür braucht er allerdings Informanten aus dem direkten Umfeld von Trump. Bisher hat der US-Präsident seine Leute schützen können, weil er als Präsident - Kraft seines Amtes - im Grunde jede Ermittlung beenden kann, wenn es um kriminelle Akte nach Bundesrecht geht. Mueller fehlte jedes Droh-Szenario.

Wie leicht eine Begnadigung ist, hat Trump im Fall des hochumstrittenen Ex-Sheriff Joe Arpaio bewiesen. Der ist nach Bundesrecht zu sechs Monaten Haft verurteilt worden, weil er einen Gerichtsbeschluss missachtet und vermeintlichen Immigranten wegen kleinster Delikte heftigste Strafen aufgebrummt hatte. Trump aber mag Arpaio. Seine Wähler mögen Arpaio auch. Trump hat ihm vergangene Woche alle Strafen erlassen.

Mueller aber hat jetzt einen Weg gefunden, Trump diesen Blankoscheck für seine Leute aus der Hand zu nehmen. Er kooperiert in seinen Ermittlungen nach einem Bericht des Online-Magazins Politico jetzt mit dem Justizminister und obersten Ankläger des Staates New York, Eric Schneiderman. In erster Linie, um die Finanzgeschäfte von Trumps früherem Wahlkampfmanager Paul Manafort zu untersuchen, der ebenfalls ausgiebige Kontakte in russische Regierungskreise unterhält.

Die Kooperation hat einen willkommenen Nebeneffekt. Wenn es etwas gibt, was Trumps Leute oder gar Trump selbst angestellt haben sollten, dann haben sie sehr wahrscheinlich auch gegen das Gesetz des Staates New York verstoßen. Auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten gilt Trumps Begnadigungsrecht nicht. Mit dem New Yorker Justizminister an seiner Seite hat Mueller jetzt ein erhebliches Druckmittel in der Hand, um Trump-Vertraute zum Reden zu bringen. Die Russland-Affäre ist für Trump noch lange nicht ausgestanden.

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