Russische Schläger:Die Verbündeten der russischen Hooligans

Russische Schläger: Russische Fans attackieren einen Engländer.

Russische Fans attackieren einen Engländer.

(Foto: AP)
  • Russische Hooligans wüteten in Marseille, in Köln verprügelten sie Touristen, von einigen russischen Politikern bekommen sie dafür Beifall.
  • Es gibt in Russland viele Beispiele für Verbindungen zwischen staatlichen Stellen und extremistischen Subkulturen, wie etwa Hooligans.
  • Sie werden aktiviert, wenn Journalisten einen Denkzettel bekommen, Oppositionelle eingeschüchtert oder Menschenrechtsvertreter aus dem Weg geräumt werden sollen.

Von Julian Hans

Als russischer Fußballrowdy kann man sich dieser Tage nicht über fehlende Rückendeckung aus der Politik beklagen. An einer Prügelei zwischen Fans könne er nichts Schlechtes sehen, twitterte der Abgeordnete Igor Lebedew nach den Ausschreitungen vom Wochenende, bei denen russische Hooligans englische Hooligans durch die Straßen von Marseille gejagt hatten. Dutzende mussten behandelt werden, einer lag im Koma. "Im Gegenteil, unsere Jungs sind klasse. Weiter so!"

Als die Fans nach dem Spiel gegen England im Stadion die Schlacht fortsetzten, stand Russlands Sportminister Witali Mutko vor der Tribüne und machte anfeuernde Gesten. Später erklärte er kleinlaut, das Verhalten sei beschämend gewesen. Nur um im gleichen Atemzug den französischen Sicherheitskräften Vorwürfe zu machen, sie hätten die Europameisterschaft schlecht vorbereitet.

Als die französische Polizei aber durchgriff und vor dem Spiel gegen die Slowakei am Mittwoch einen Bus mit russischen Fans stoppte und durchsuchte, schaltete sich Außenminister Sergej Lawrow ein. Er bestellte Frankreichs Botschafter ins Außenministerium und warnte: Ein weiteres Schüren "antirussischer Ressentiments" könne die Beziehungen zwischen Russland und Frankreich beschädigen. Die russischen Fans seien provoziert worden.

Was die Europäer schockiert, ist in Russland nicht ungewöhnlich. Es gibt viele Beispiele für Verbindungen zwischen staatlichen Stellen und extremistischen Subkulturen. Und es sind eben nicht allein Hooligans, sondern eine Vielzahl rechtsextremer Gruppierungen, es sind schlicht kriminelle Schläger, selbsternannte Kosaken oder durchtrainierte Kampfsportler aus dem Kaukasus. Sie werden aktiviert, wenn Journalisten einen Denkzettel bekommen, Oppositionelle eingeschüchtert oder Menschenrechtsvertreter aus dem Weg geräumt werden sollen.

Sie alle vereint der Hass auf den Westen und auf Liberale

Am 19. Januar 2009 wurden im Zentrum Moskaus der Anwalt Stanislaw Markelow und die Journalistin Anastasia Baburowa erschossen. Die Täter stammten aus den rechtsextremen Untergrundorganisationen "Born" und "Russkij Obras". Im Prozess sagten sie aus, engen Kontakt zu Leonid Simunin gehabt zu haben, damals Mitarbeiter der Kreml-Administration, der später als "Energieminister" der Separatistenrepublik Donezk wieder auftauchte.

Ein weiteres Beispiel: Anfang 2015 rief Dmitrij Sablin die Bewegung "Antimaidan" ins Leben, die sich zur Aufgabe machte, regierungskritische Proteste im Keim zu ersticken. Sablin sitzt als Senator für Einiges Russland im russischen Föderationsrat und koordiniert bei der Kreml-Partei die "patriotische Jugenderziehung". Außerdem ist er Vorsitzender eines Verbandes von Afghanistan-Veteranen. Angeführt wird der Antimaidan außerdem von dem Großrussland-Ideologen Nikolai Starikow und Jurij Beresikow, einem Weltmeister in der Kampftechnik Mixed Martial Arts sowie von Alexander Saldostanow, genannt "Chirurg", dem Anführer der Motorradgang "Nachtwölfe".

Neben einer Reihe gewaltbereiter und extremistischer Splittergruppen hat sich auch Achmat dem Antimaidan angeschlossen, die Unterstützertruppe des Tschetschenen-Herrschers Ramsan Kadyrow. Sie alle vereint der Hass auf den Westen und auf sogenannte Liberale - und die Loyalität zum Kreml.

Ein Kreml-Mitarbeiter holte Schläger aus dem Polizeigewahrsam

Wo Veranstaltungen stattfinden, die von der offiziellen patriotischen Linie abweichen, tauchen immer häufiger Gruppen auf, die sie gewaltsam stören. Im Mai etwa überfielen als Kosaken verkleidete Schläger den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und seine Mitstreiter bei einem Besuch im Schwarzmeerbadeort Anapa, übergossen sie mit Milch und schlugen auf sie ein. Im April störten Aktivisten der Nationalen Befreiungsbewegung (NOD) den Geschichtswettbewerb der renommierten Organisation Memorial. Patron von NOD ist Jewgenij Fjodorow, Abgeordneter der Partei Einiges Russland.

Und vor einigen Jahren bereits deckte der russische Journalist Oleg Kaschin enge Verbindungen der Spartak-Hooligans "Gladiatoren" zur Pro-Putin-Jugend "Naschi" auf. Die "Gladiatoren" bewachten ein Naschi-Sommerlager. Als sie Gegner mit Baseballschlägern verprügelt hatten, kam ein Kreml-Mitarbeiter, um sie aus dem Polizeigewahrsam zu holen.

Schon ist in westlichen Boulevardmedien von "Putins Schlägerhorden" die Rede. Derweil spricht wenig dafür, dass der Kreml die Hooligans geschickt haben könnte, um Europa aufzumischen, wie die "grünen Männchen" auf die Krim. Putins Sprecher Dmitrij Peskow verurteilte die Ausschreitungen von Marseille am deutlichsten als "völlig inakzeptabel". Vor allem aber passt das Motiv nicht: Nach Ukraine-Krieg, Fifa-Korruptionsskandal und den Enthüllungen über staatlich organisiertes Doping kann der Gastgeber der Fußball-WM 2018 eigentlich nichts weniger gebrauchen als Bilder enthemmter Schläger.

Nicht immer ist klar, wer am Ende eigentlich wen kontrolliert

Verglichen mit Gruppen wie NOD oder dem Antimaidan seien die Fußball-Hooligans nur in geringem Maße Agenten des Staates, glaubt Kaschin. Wenngleich auch hier Kontakte erkennbar sind. Igor Lebedew, der die Schläger von Marseille lobte, sitzt für die Partei LDPR in der Duma und ist Mitglied im Vorstand des russischen Fußballverbandes. Unter den Festgenommenen im Bus nach Lille war Alexander Schprygin, Lebedews Mitarbeiter und Chef des russischen Fanverbandes. Schprygin kommt selbst aus der Hooligan-Szene, alte Fotos zeigen ihn beim Hitlergruß.

"Die Allrussische Fan-Vereinigung VOB ist die persönliche Armee von Sportminister Witali Mutko", glaubt der Journalist Kaschin. "Sie sind ihm unterstellt, mit ihrer Hilfe hat er Karriere gemacht, indem er Putin bewiesen hat, dass er diese gefährlichen Leute in den Griff kriegt." Das Vorgehen folgt einem Muster, das Moskau in vielen Bereichen anwendet: Eine Führungsfigur wird ausgewählt und auf die eigene Seite gezogen. Belohnt wird sie mit Geld und einem Posten, der es ihr erlaubt, allein zu gebieten.

Das bekannteste Beispiel dafür ist die brutale Befriedung Tschetscheniens durch den Kadyrow-Klan, der zuvor Krieg gegen die Truppen der russischen Zentralmacht geführt hatte. Sein Beispiel verdeutlicht auch: Nicht immer ist klar, wer am Ende eigentlich wen kontrolliert.

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