Rüstungsindustrie:Schweiz lieferte Militärtechnik an Russland

Russian military aircraft trail smoke in the colours of the Russian tricolor above the Victory Day Parade in Moscow's Red Square

Militärparade in Moskau: Die Schweiz lieferte trotz Sanktionen moderne Militärtechnik

(Foto: REUTERS)
  • Das Material ist geeignet, um Tarnnetze und Kampfanzüge herzustellen: Aus der Schweiz wurde für etwa 85 Millionen Euro Rüstungsgüter nach Russland exportiert.
  • Die Lieferung sei legal gewesen, verteidigt sich das Wirtschafts-Departement. Eine Ausnahmeklausel ermöglichte das Geschäft.

Von Charlotte Theile, Zürich

Die Lieferung klingt harmlos: "Bedrucktes Spezialgewebe" ist 2014 aus der Schweiz an ein "ziviles Textilunternehmen" in Russland verkauft worden, Kostenpunkt 91 Millionen Franken (etwa 85 Millionen Euro). Nach Recherchen der Schweizer Sonntagszeitung handelt es sich dabei um modernste Militärtechnik: Beschichtetes Gewebe, das Schutz vor Infrarot-Spähern und Radar bietet - geeignet, um Tarnnetze und Kampfanzüge herzustellen, mit denen sich, zum Beispiel, unbemerkt Landesgrenzen passieren lassen.

Bewilligt wurde das größte Kriegsgeschäft zwischen der Schweiz und Russland im Herbst 2014 - zu einer Zeit, als die internationale Gemeinschaft sämtliche Rüstungsexporte vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts verboten hat. Auch die Schweiz trägt die Sanktionen mit.

Auf der internationalen Bühne machte das Land in diesen Monaten eine gute Figur: Didier Burkhalter, der im Jahr 2014 Schweizer Bundespräsident und OSZE-Vorsitzender war, erfuhr große Anerkennung für seine Vermittlerrolle zwischen Kiew und Moskau.

Politik stoppte Export nicht

Den lukrativen Deal wollte sich die Schweiz trotzdem nicht entgehen lassen. Eine Ausnahmeklausel ermöglichte das Millionen-Geschäft: Da die vertragliche Vereinbarung vor der Sanktionsverordnung getroffen worden war, erlaubte die staatliche Kontrollgruppe den Deal. Eine Lieferung wurde im Oktober, eine weitere wurde im Dezember bewilligt.

Haben die Behörden Sanktionen umgangen? Den Konflikt in der Ukraine weiter befeuert, um ein gutes Geschäft zu machen? Diesem Vorwurf sieht sich das Wirtschafts-Departement Seco, das dem Deal zustimmte, nun gegenüber. Seco-Sprecher Fabian Maienfisch weiß, dass eine solche Lieferung nach der Ausfuhr-Verordnung heute nicht mehr genehmigt würde. Damals jedoch sei die gesetzliche Lage eindeutig gewesen: Die Lieferung sei legal gewesen.

Sie dennoch zu stoppen, wäre eine politische Entscheidung gewesen. Dass diese nicht getroffen wurde, kritisiert etwa die christdemokratische Nationalrätin Kathy Riklin: "Auch wenn der Vertrag vor dem Krieg unterzeichnet wurde, sollten die Sanktionen greifen." Entscheidend sei für sie der Zeitpunkt der Lieferung.

Aktivisten kritisieren die Entscheidung

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) sieht in dem Geschäft einen Beleg dafür, dass die Schweiz nur auf dem Papier einen guten Eindruck machen wolle. "In der Realität unternimmt sie alles, um die Rüstungsindustrie zu fördern." Das Geschäft untergrabe die Glaubwürdigkeit der Vermittlerrolle des Landes. Bei der rechtskonservativen SVP stößt man sich dagegen nicht an dem Millionen-Deal. Er sei rechtlich in Ordnung und gut für die Wirtschaft.

International steht die Schweiz mit dem Militär-Export nicht gut da: Andere Länder hatten ähnliche Geschäfte mit Russland im vergangenen Jahr auf Eis gelegt. So wurde etwa ein Auftrag im Umfang von 100 Millionen Euro an die Düsseldorfer Rheinmetall von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit dem Hinweis, es gehe "nicht um Geld, sondern um Menschenleben", gestoppt.

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