Rüstung:Von der Leyen will neues Luftabwehrsystem

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in der Türkei

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen lässt sich in der Türkei Patriot-Systeme zeigen.

(Foto: dpa)
  • Das Bundesverteidigungsministerium will nach SZ-Informationen dem Luftabwehrsystem Meads den Vorzug vor den bisher verwendeten Patriots geben.
  • Der Druck, eine Entscheidung zu treffen, soll zuletzt sehr hoch gewesen sein. Es geht dabei auch um Arbeitsplätze. Der Meads-Hersteller MBDA beschäftigt in Deutschland etwa 1300 Mitarbeiter.
  • Der Vier-Milliarden-Auftrag ist für Ministerin von der Leyen mit einem hohen Risiko verbunden.
  • Deshalb soll die Entscheidung nur unter strengen Bedingungen für den Hersteller zustande gekommen sein. Er soll immer wieder nachweisen, dass er im Plan ist und technologisch, zeitlich sowie finanziell die Vorgaben erfüllt.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Im Verteidigungsministerium ist die Entscheidung über eines der größten und teuersten Rüstungsvorhaben des nächsten Jahrzehnts gefallen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll der Nachfolger für das Flugabwehrraketen-System Patriot von der Firma MBDA kommen, die das gemeinsam mit dem US-Rüstungskonzern Lockheed Martin entwickelte System Meads zur Serienreife bringen soll. Damit hätte der Patriot-Hersteller Raytheon das Nachsehen, der mit einer modernisierten Variante seines Systems im Rennen war.

Die Entscheidung zum sogenannten Taktischen Luftverteidigungssystem, kurz TLVS, gilt als eine der wichtigsten rüstungspolitischen Weichenstellungen der Legislaturperiode. Bei dem Auftrag, für den noch etwa vier Milliarden Euro fällig werden, handelt es sich zugleich um die erste große eigenständige Beschaffungsentscheidung in der Amtszeit der Ministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Die Befürworter von Meads argumentierten, es gehe um Arbeitsplätze

Das System Meads (Medium Extended Air Defense System) hat eine lange und wechselhafte Vorgeschichte. An der Entwicklung waren die USA, Deutschland und Italien beteiligt, der Bundestag brachte die deutsche Beteiligung vor einem Jahrzehnt auf den Weg. Die USA entschieden später jedoch, das System nicht beschaffen zu wollen. Auch die Bundeswehr, so teilte es das Verteidigungsministerium 2011 mit, werde Meads in absehbarer Zeit nicht beschaffen. Deutschland hat in das System bereits gut eine Milliarde Euro investiert.

Wegen des industriepolitischen Hintergrunds gab es aber aus dem parlamentarischen Raum starken Druck auf von der Leyen und ihre Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder, Meads auszuwählen - wobei formal Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker entscheidet. Es gehe, so die Befürworter, auch um Arbeitsplätze. Die MBDA Deutschland beschäftigt nach eigenen Angaben etwa 1300 Mitarbeiter, davon 1100 in Schrobenhausen, Oberbayern.

Lockheed Martin und MBDA auf der einen sowie der US-Rüstungskonzern Raytheon auf der anderen Seite hatten sich zuletzt einen harten Wettbewerb geliefert und versucht, die deutsche Fachöffentlichkeit von den Vorzügen ihres jeweiligen Systems zu überzeugen. Die Meads-Lobbyisten warben damit, dass ihr System per 360-Grad-Radar Flugobjekte erfassen und mindestens zwei Ziele gleichzeitig bekämpfen könne. Tatsächlich bestand das System entsprechende Tests. Zugleich wurden für Meads geringe Betriebskosten ins Feld geführt - denen allerdings immense Restentwicklungs- und Beschaffungskosten von etwa vier Milliarden Euro gegenüberstehen. Raytheon wiederum warb mit einem eingeführten System, das schnell modernisiert werden könne und sowohl preislich als auch zeitlich Vorteile habe.

Das politische Risiko für von der Leyen ist außerordentlich hoch

Der politische Druck auf von der Leyen, zügig eine Entscheidung zu ermöglichen, war zuletzt erheblich gewesen. Nachdem von ihr beauftragte Berater allerdings im vergangenen Jahr davor gewarnt hatten, übereilt zu entscheiden, hatte man sich im Ministerium nochmals Zeit für weitere Prüfungen genommen. Die Berater hatten gewarnt, im Hinblick auf Meads seien "zu viele Fragen ungeklärt". Zwischenzeitlich hatte es auch Überlegungen zu Kombinationen aus beiden Systemen gegeben. Zuletzt ging es aber um ein "Entweder - Oder".

Nun ist nach Angaben aus Kreisen des Verteidigungsministeriums die Entscheidung gefallen. Das politische Risiko ist für von der Leyen außerordentlich hoch: Sollten die Meads-Hersteller in den kommenden Jahren daran scheitern, das System zur Serienreife zu bringen, oder sollten die Kosten aus dem Ruder laufen, würde sie politisch für verantwortlich erklärt - ganz gleich, ob sie dann noch Verteidigungsministerin wäre. Um dagegen Vorkehrungen zu treffen, wurde nach SZ-Informationen bei einer Sitzung im Ministerium, an der in der vergangenen Woche neben Staatssekretärin Suder unter anderem die Abteilungsleiter für Rüstung und Planung teilnahmen, folgendes Vorgehen besprochen: Zwar soll Meads den Zuschlag bekommen, aber unter strengen Bedingungen.

So soll der Hersteller auf dem Weg zur Beschaffungsreife immer wieder nachweisen müssen, dass er im Plan ist und technologisch, zeitlich sowie finanziell die Vorgaben erfüllt. Sollte sich zwischendurch erweisen, dass die MBDA scheitert, hätte die Politik bei diesem Vorgehen immer noch die Möglichkeit auszusteigen. Dann käme womöglich doch noch der Konkurrent Raytheon zum Zug. Außerdem soll laut Ministeriumskreisen der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin so weit wie möglich eingebunden werden, um dessen technologisches Potenzial zu nutzen.

Das Ministerium wollte die Informationen auf Anfrage nicht bestätigen oder kommentieren. Die Entscheidung werde "erst wie bereits angekündigt bis Ende des zweiten Quartals" fallen, sagte ein Sprecher. Man sei "nach wie vor mit allen Herstellern im Gespräch".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: